Wer früher stirbt, ist länger tot

In Kinky Friedmans Krimi geht es auch ohne die üblichen Verdächtigen

Von Daniela PuschRSS-Newsfeed neuer Artikel von Daniela Pusch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Als der Kinkster von Polly Price beauftragt wird, ihren verschwundenen Ehemann zu finden, ahnt weder er noch der Leser, wie sich die Geschichte entwickeln wird. Der jüdische Amateurdetektiv, hingerissen von seiner wunderhübschen Klientin, freut sich auf den Fall - der Leser auf einen nervenaufreibenden Krimi-Abend. Die Klientin, die gleich einem Piratenschiff aus dem Nebel in Kinky Friedmans Leben auftaucht, bleibt genauso geheimnisvoll wie ihr verschollener Mann, und eigentlich interessiert Mister Price wenig. Kinky hat die leise Hoffnung, der Verschwundene werde vielleicht bald nicht mehr vermißt, doch bevor er sich motiviert an seine Arbeit machen kann, taucht sein Freund Mike McGovern wie ein großer irischer Kasper aus der Versenkung auf.

Das hätte nicht passieren dürfen: McGovern sieht grüne Männchen, erhält Anrufe von Al Capones längst verstorbenem Koch, und obwohl ihn niemand ernst nimmt, muß sich doch jemand um den "Kleinen" kümmern. Die Sache mit McGovern ist ein Nebenkriegsschauplatz, sagt sich Friedman, aber er läßt sich gerne von dessen Albtraum de luxe seine Freizeit rauben. Außerdem entwickelt sich die Suche nach Derrick Price nicht so, wie es sich ein Privatdetektiv wünschen würde. "Trau niemals einem Klienten, wenn er weiblich ist" und "Übernimm niemals einen Fall ohne Honorar" lauten die beiden obersten Regeln aller guten Privatdetektive - Friedman verstößt gegen beide. So bemerkt der Kinkster erst spät, daß er in einer Sackgasse gelandet ist. Doch die richtige Spur führt ihn schließlich, wie soll es anders sein, zu McGovern.

Die ungewöhnliche Ermittlung ohne übliche Verdächtige, ohne zufällige Ereignisse, die einem wirklich auf die Sprünge helfen, läßt zu viele Fragen unbeantwortet. Friedman schreibt seelenruhig über die Liga der Rotschöpfe, seine Klienten tauschen Kochrezepte aus, und der Leser wird mit Anekdoten und Wortspielen hingehalten. Der für Junggesellen fortgeschrittenen Alters mit einer Schwäche für fette Zigarren, starke Drinks und lakonische Katzen typische Humor ließe nicht nur auf Polly Prices hübschem Gesicht allenfalls ein müdes Lächeln entstehen.

Am Ende ist das FBI der Drahtzieher, und weil mit denen nicht gut Kirschen essen ist, fragt man nicht weiter. Beruhigend doch, daß der Kinkster schlauer ist als J. Edgar Hoover und seine Bande zusammen, denn wenigstens findet er die Antwort auf die Frage nach Al Capones Schatz. Wenn vom Charme der guten alten Zeiten auch nicht viel übrigbleibt, so erlebt man doch einmal eine Sternstunde des Kinkster, bevor sich alles sprichwörtlich in Wohlgefallen auflöst. "Wir mögen gute Krimis, weil sie am Ende mit Lösungen aufwarten, die im richtigen Leben so gut wie nie zu haben sind", schreibt Friedman. Doch vielleicht hätte er es hier nicht so genau nehmen sollen.

Titelbild

Kinky Friedman: Der Leibkoch von Al Capone. Aus dem Amerikanischen von Ulrich Blumenbach.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1999.
248 Seiten, 14,30 EUR.
ISBN-10: 3455103731

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch