Rolf-Bernhard Essig und Gudrun Schury versammeln in "Bilderbriefe" illustrierte Grüße aus drei Jahrhunderten

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein Brief ist, Aristoteles zufolge, die Hälfte eines Dialoges. Was ist dann ein Bilderbrief? Bilderbriefe sind etwas Seltenes und schwer Aufzufindendes: Johann Wolfgang Goethe hat vereinzelt welche versandt, Franz Marc sehr oft, Horst Janssen ohne Unterlass, und auch Sarah Kirsch kann es sich nicht verkneifen. All diese Autoren und Künstler illustrierten ihre Briefe mit Zeichnungen, Malereien und Collagen. Auf diese Weise entsteht ein Bilderbrief - ein privates Schreiben, das vom Absender mit einer Skizze, einer Zeichnung oder einem Gemälde versehen und versendet wird.

Rolf-Bernhard Essig und Gudrun Schury haben eine Auswahl der schönsten Exemplare dieser Gattung zusammengetragen. Alle 67 illustrierten Briefe stammen von deutschprachigen Dichtern und Malern. Einige von ihnen, beispielsweise die Korrespondenzen von Adolph Menzel, Friedrich von Kaulbach, Hermann Hesse oder Franz Kafka, werden hier zum ersten Mal veröffentlicht. Die Beispiele reichen von 1775 bis 2002 und von der Federskizze über das Aquarell und den Holzschnitt bis zum Fax und zur E-mail.

Der gezeichnete oder gemalte Brief hat eine mehr als dreihundertjährige Tradition: Schon Bettine von Arnim, Clemens Brentano oder E. T. A. Hoffmann versahen ihre privaten Schreiben mit Federzeichnungen. Je billiger Papier, Farben und Porto wurden, desto umfangreicher, bunter und üppiger wurden die Bilderbriefe. Je haltbarer das Papier und je zuverlässiger die Post - desto mehr Beispiele dieser Briefkunst haben sich erhalten. Besonders die Moderne hat bedeutende Zeugen dieser Kunst hinterlassen: Künstlervereinigungen wie Die Brücke und Der Blaue Reiter haben Hunderte gemalter Postkarten oder skizzierter Gemälde in ihren Briefen verschickt. Das große Format pflegten Künstler wie Hannah Höch oder Karl-Georg Hirsch, der politische Collagenbrief ist durch Peter Rühmkorf vertreten, und der Künstler G2 versendet seine aufwendigen Bilderbriefe per E-mail.

Der reich illustrierte Band bietet neben den Abbildungen Transkriptionen der mitunter nur schwer lesbaren Originale. Er stellt die jeweiligen Briefpartner in kurzen biographischen Abrissen und mit Bildbeigaben vor. Text und Kommentar der Bilderbriefe erschließt ein Namensregister am Ende des Bandes.

L. H.

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Titelbild

Rolf-Bernhard Essig / Gudrun Schury: Bilderbriefe. Illustrierte Grüße aus drei Jahrhunderten.
Knesebeck Verlag, München 2003.
184 Seiten, 49,90 EUR.
ISBN-10: 389660158X

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