Der Archivar des Kasinos

Antonis Sourounis "Der Rosenball" ist das Bekenntnis eines Berufsspielers

Von Anna EckertRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anna Eckert

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Roulettes [drehen] sich immer weiter, mit der gleichen fatalen Konsequenz - wie die Erde". Magnetisch wirkt ihre Anziehungskraft auch auf Noussis, die Hauptfigur des Romans "Der Rosenball" von Antonis Sourounis. Es ist der erste auf Deutsch erschienene Roman des 1942 geborenen Autors aus Thessaloniki, der in Griechenland bereits neun erfolgreiche Romane veröffentlicht hat. Er war Hotelpage, Barkeeper, Matrose, Tavernenwirt und Bankangestellter, und er kennt die Kasinos Europas. Er weiß, worüber er schreibt.

"Doch nun sind wir gekommen. Die Herren des Tisches sind da!" Und da wären außer dem Griechen Noussis, der gemeinsam mit der Katze seiner Ex-Freundin in Frankfurt am Main lebt, Max der Vogel, der Baron, der Professor, Ralf und Otto. Von jedem erfahren wir eine rasante Geschichte.

Die Berufsspieler verbringen in Wiesbaden, Bad Homburg, Baden-Baden, Bad Aachen und in allen sonstigen Bädern Deutschlands ihre Nächte. Im Kasino fühlt sich Noussis eins "mit den dicken Teppichböden, mit der diskreten Beleuchtung, dem Zigarettenrauch, [...] den sanften Stimmen des Personals und dem rhythmischen Geräusch der rollenden Kugel". Dazu gepflegte Kleidung und feines Essen. Eine hermetische Ästhetik, in die keine politischen oder wirtschaftlichen Ereignisse eindringen.

Liegen die Jetons auf dem Tisch, bleiben Noussis nur seine Zahl und die Hoffnung. Die Zeit steht still, nur die Erwartung und die Unruhe scheinen ihn altern zu lassen. Sourounis lässt den Leser die Atmosphäre atmen: Wir wagen einen Blick durch die Türen der Geld-Tempel. Auf die Frage: "Was gefällt Ihnen an Deutschland am besten?", antwortete Sourounis der Welt: "Die Kasinos. Weil sie wie Kirchen sind."

Für Noussis gibt es keinen schöneren Anblick als ein Roulette, das "Tausende von Menschenleben ruiniert hat, ganze Vermögen verschlungen und Familien zerbrochen". Meistens schreibt er präzise und konsequent die Zahlen mit, er ist das "Archiv des Kasinos". "Nie forderte er Geld für seine Dienste, aber er verließ das Kasino auch nie ohne". Denn wer Informationen über Zahlen braucht, zahlt, und, wie Noussis feststellt, "je später um so mehr, sogar mit Vergnügen und Zinsen". Auf der Basis von Wahrscheinlichkeitsberechnungen spielt er später für den Professor stundenlang dieselben Zahlen, mit Erfolg.

Aus dieser roulette-zentrischen Welt zieht ihn die Berührung mit einem Kleid. In diesem Kleid steckt Irina, und wie sollte es anders sein: Sie ist wunderschön, das ist das einzig auszeichnende. Mit ihrem aus Russland ausgewanderten Vater lebt sie ebenfalls in Frankfurt. Von da an besteht Noussis Leben aus Halten und Gewinnen, abwechselnd und gerecht Irina und das Geld!

Er ist der weise Spieler und hat die Habgier überwunden. Er hat den Beginn und das Ende einer Katastrophe beim Roulette entdeckt, er weiß um die Macht von Gewinn und Verlust - dass nämlich "auch der Gewinn den gleichen Fluch mit sich bringen [kann]. Er vergiftet sanft, bis er dich tötet, du hoffst nur noch auf den täglichen Gewinn, nichts anderes".

Wer bei diesem Roman auf geistigen Gewinn hofft, verliert, amüsiert wird er aber doch. Behutsamkeit benötigt man, kindliche Naivität, um das "größte Spiel" zu spielen. "Weißt du was es ist? Wenn du die Zahl sehen kannst, bevor sie kommt". Das testet Noussis im Finale, auf dem Rosenball von Monte Carlo, und solange man das nicht beherrscht, sollte man nicht ins Kasino gehen.

Titelbild

Antonis Sourounis: Der Rosenball.
Übersetzt aus dem Griechischen von Gesa Schröder.
Piper Verlag, München 2001.
476 Seiten, 22,90 EUR.
ISBN-10: 3492042031

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