Ein Mann ist auch nur ein Mann
Manfred Krug liest "Leben bis Männer" von Thomas Brussig
Von Nils Neumann
Besprochene Bücher / Literaturhinweise"Die Mannschaft war mein ein und alles, andere haben eine Familie, ich hatte Tatkraft Börde. Meinen Sohn zum Beispiel, den durfte ich nur am Sonntag sehen, vom Gericht aus, aber sonntags wurde auch gespielt, ging nicht, konnte mich überhaupt nicht auf ihn einlassen. Musste ständig an die Mannschaft denken."
So oder so ähnlich denken wohl die meisten Männer, deren Frauen den Fussball mit einer Hasstirade am liebsten zurück in die Hölle schicken würden, wo er ihrer Meinung nach auch herkommt.
Thomas Brussig schafft es auf beeindruckende Weise, in die Windungen und Irrungen des männlichen Gehirnes einzutauchen, und man fragt sich, wie es ihm gelungen ist, diesen Mann, dem, wenn wir ehrlich sind, wir uns doch alle irgendwie verbunden fühlen, zu entwickeln. Vervollständigt wird dieser Eindruck durch die charismatische und vor allem sehr glaubwürdige Verkörperung des Fussballliebenden Ossi durch einen der bekanntesten und beliebtesten DDR- Schauspieler. Manfred Krug spricht die Rolle des Clubtrainers als hätte er die Provinzplätze Ostdeutschlands alle bereist und zu einem Bild des Vereinstrainers der Kleinstvereine zusammengesetzt. Durch diese Kombination fühlt sich der Hörer auf den Rasen versetzt und zuckt zusammen, sobald der Maestro vom Rande des Spielfeldes die Anweisungen brüllt und einen zusammenstaucht, weil man mal wieder einen Fehler gemacht hat, der eines Vorschulkindes würdig wäre. "Ich übrigens brülle nicht. Es sieht aus wie Brüllen, aber in Wirklichkeit ist es Denken, und zwar sehr leidenschaftliches Denken."
Ist man dann wieder in der Gemütlichkeit des Wohnzimmers angelangt, erinnert man sich an die Zeit, in der man selbst dem Lebenstraum Fussball nachgejagt ist, oder an die Tage, an denen man seine Kinder genau dieser Art Trainer anvertraut hat. Eben der Sorte Trainer, die für den Fussball die Ehe zerstören und den eigenen Sohn vernachlässigen. Kann so ein Mensch denn Vorbild sein?
Doch durch genau diese Seite beginnt man auch Mitleid zu empfinden mit dem alten Griesgram, der einfach nicht anders kann als sein Leben komplett seiner Leidenschaft unterzuordnen. Vielleicht vermissen wir manchmal seine Fähigkeit, sich für etwas zu begeistern, sich ganz einer Sache anzunehmen und den Weg bis zu Ende zu gehen, auch wenn es manchmal bitter ist.
Nach dem Hörgenuss dieser Geschichte wird man anders über die Gefühle und Eigenarten der Menschen denken, welche wir sonst oft leichtsinnig in eine Ecke stecken und leichtfertig übersehen. Brussig und Krug schaffen gemeinsam ein Stück Leben in der heutigen schnelllebigen Zeit, an dem man sich festhalten und aufraffen kann.
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