Homo Ridderström

Ach wie tierisch: Till R. Lohmeyers "Unter Zoologen"

Von Torsten GellnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Torsten Gellner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Till R. Lohmeyer ist stellvertretender Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mykologie e.V. Er ist bislang als Verfasser von Pilzbüchern und als Übersetzer vor allem von Ken Follett in Erscheinung getreten. Es mögen seine Erfahrungen in der aufregenden Welt der Mykologie gewesen sein, die ihn zur Niederschrift eines satirisch angehauchten Krimis über das Zoologen-Milieu veranlasst haben. "Unter Zoologen", wie der Titel des Buchs sinnfällig lautet, weist einen großen Vorrat an parodiewürdigen Fachidioten auf, die dem Autor aus seiner mykologischen Praxis bekannt sein dürften. Die Zoologen jedenfalls, die einem in Lohmeyers Roman begegnen, sind allesamt recht komische Vögel, die sich bereits mit zwölf Jahren für die "Fortpflanzungsorgane der Glattnatter" interessieren oder zur Überwindung ihrer Menschenscheu die Gesichter ihrer zweibeinigen Gegenüber mit Tiermienen vergleichen.

Telegener Leithammel der Tierfreunde ist der prominente Fernsehzoologe Hans-Anders Ridderström, der im Krebssterben liegend seine Lebensbeichte niederschreibt, die über die Hände seines Nachlassverwalters schließlich dem Leser zugänglich gemacht werden. Ridderström ist in erster Linie Zoologe, erst in zweiter Linie Mensch. Exemplarisch und einigermaßen plakativ wird das an folgendem Zitat deutlich: "Ich hätte Emil, sternhagelvoll wie er war, den Autoschlüssel abnehmen müssen, dann stünde die alte Kastanie mit der Spechthöhle noch (und Emil wäre, nota bene, noch am Leben)." Dieser Biologist fühlt sich - aus guten Gründen, wie man bald erfährt - mitschuldig am vermeintlichen Unfalltod seiner ersten Frau und großen Liebe Maria. Ihre gemeinsame Tochter Lena muss ohne Mutter aufwachsen und gerät prompt auf die schiefe Bahn. Auch der junge Witwer wird aus der Bahn geworfen, seine berufliche Kreativität leidet unter seiner Einsamkeit. Eine neue Frau bringt sein Leben wieder in Schwung, aber auch neue, existentielle, ja tödliche Probleme mit sich.

Grell überzeichnet präsentieren sich Lohmeyers Zoologen - und das will nicht so recht mit der Geschichte um Schuld und Sühne harmonieren. Die aufdringliche biologische Terminologie, die dem Zoologenpersonal in den Mund gelegt wird, um sie als verschrobene, ganz in ihrem exklusiven Forschungskosmos befangene Wissenschafter auszustellen, geht einem bald tierisch auf die Nerven. Ob es tatsächlich Biologen gibt, deren Forschungen den homosexuellen und scheinhomosexuellen Verhaltensweisen Südtiroler Kreuzottern oder der Systematik der Schnabelkerfe dienen, sei dahingestellt. Wenn sich ein Autor aber so selbstverliebt und penetrant in seinen durchaus fachkundigen karikaturistischen Slang hineinsteigert, dass die Fremdwort- und Absurditätsfrequenz die "Rasselfrequenzen erregter Klapperschlangen" noch zu überbieten droht, schlägt der humoristische Effekt schnell ins Gegenteil um. Dabei hat das Buch durchaus tragische Wendungen und überraschende Spekulationen zu bieten und entwickelt nach der strapaziös-witzigen Exposition eine detektivische Sogwirkung, die für den biologistischen Manierismus des Autors entschädigt. Doch sogleich springen Ungereimtheiten ins Auge, die das Page-turner-Potential des Buchs unnötig korrumpieren.

Ridderström berichtet etwa von einem Gespräch mit seinem Programmchef, der angesichts der drohenden Vergreisung des Publikums eine Verjüngung der einst überaus populären Sendung "Du und das Tier" fordert: "Der Programmchef wurde ungeduldig: 'Natürlich vergreist die Gesellschaft. Aber dafür planen wir ja unser Pay-TV für Senioren mit 50 Prozent medical stuff, 20 Prozent Christian revivalism, je zehn human touch und cozy animals - davon wieder fifty Proz einsame Hunde und Katzen -, der Rest Wetter und Rezepte.' " Als die Anglizismenschleuder dann noch den Jugendslang von Skatern mit den Worten "Kein Peil, Opa, hab ich noch nicht gecheckt" imitiert, muss ein aufmerksamer Leser stutzig werden. Denn dass wenn auch zunächst nur unsicher rekonstruierbare Datum dieser Unterhaltung liegt weit vor den 90ern, und damals hat niemand so getalkt, Lohmy! Eine Fußnote des Erzählers verspricht indes prompte Aufklärung: "Hier ist mir, wie ich beim Durchlesen feststellte, ein schwerer Stilbruch unterlaufen: Ich lasse den Programmchef Dr. List die Jugendsprache der neunziger Jahre nachäffen, obwohl das Gespräch 1979 oder 1980 stattfand." Damit wäre zwar die verunglückte Jugendspreche erklärt, nicht aber das Geschwafel von den Pay TV-Plänen, war doch zu jener Zeit in der Bundesrepublik noch nicht einmal vom Privatfernsehen die Rede. Noch problematischer ist die Tatsache, dass sich dieser Teil der Aufzeichnungen Ridderströms auf einer Tonbandkassette befindet. Wie kriegt man denn eine Fußnote auf einem Tonband unter?

Das Buch, das von einer wirklich gelungenen Pointe gekrönt wird, leidet etwas unter seinem mangelhaften Lektorat, ist letztlich doch durchaus lesenswert. Die konstatierten Mängel fallen natürlich unter die Kategorie Korinthenkackerei, die an die weltfremde Korrektheit jener karikierten Forscherbrut erinnern mag, aber so sind wir halt, die literaturkritischen Staubgefäßzähler.

Titelbild

Till R. Lohmeyer: Unter Zoologen. Roman.
Zweitausendeins, Frankfurt a. M. 2002.
192 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-10: 3861505037

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch