"Beyläufig etwas grösser als der Papa"

Wolfgang Amadeus Mozart und die Kunst Briefe zu schreiben

Von Ernst GrabovszkiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ernst Grabovszki

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Warum hat der Zeichner Alfred Kubin einen Roman geschrieben, weswegen hat sich der Maler Oskar Kokoschka als Dramatiker versucht? Und E. T. A. Hoffmann wollte auch lieber komponieren als sich in seine "Nachtstücke" zu verlieren. Der ursprünglich romantische Ansporn, die Grenzen zwischen den Künsten mit Siebenmeilenstiefeln zu überschreiten, ist schon in früheren Zeiten präsent und setzt sich in späteren fort. Dabei bleibt die Frage: Sind talentierte Musiker untalentierte Schreiber und umgekehrt? Ist der begnadete Maler gleichzeitig ein hervorragender Komponist? Oder anders gefragt: Setzte sich die Genialität Mozarts über die Musik, die er schrieb, fort?

Als Briefschreiber war Mozart, das weiß man schon, gewitzt, hintersinnig, um nicht zu sagen hinterfotzig. Er ergeht sich gern in den Lausigkeiten dieser Welt und ihrer Menschen, indem er diese gelegentlich auf Körperpartien reduziert, die die Endprodukte des Stoffwechsels wieder in die Welt befördern. In dieser Doppelwelt, jener des Lausigen also und jener, in der es sich noch einmal mehr ins Wertlose gewandelt findet, spielt Mozarts Diskurs, den er aber immer noch mit Leichtigkeit und schelmischem Frohsinn führt. Er möchte berichten, warnen, scherzen, erzählen, reimen, skizzieren, hofieren, bekennen. "Allerliebste, Allerbeste, Allerschönste, Vergoldete, Versilberte und Verzuckerte, Wertheste und schätzbarste Gnädige Frau", bekommt etwa die Baronin Waldstätten als Anrede zu lesen. Sie unterstützte das Paar Wolfgang und Constanze Mozart und wird daher mit so viel Nähe und Dankbarkeit bedacht, dass es dann schon verwundern mag, dass Mozart sie bittet, "an die Auernhammer kein Kompliment" auszurichten. Schließlich ist man nicht aller Welts Freund. Und aus Mannheim erreichte Vater Leopold im November 1877 die spaßige Beichte, dass der gute Sohn die letzten beiden Tage "erst bey der nacht um 12 uhr nach haus gekommen" sei. Noch dazu hätte der unartige Knabe gedichtet, "und zwar lauter Sauereyen, nemmlich, vom Dreck, scheissen, und arschlecken, und zwar mit gedancken, worten und - - - aber nicht mit wercken." Gott sein Dank.

Der Komponist Mozart weiß auf jeden Fall in und mit seinen Briefen sein Publikum zu unterhalten, weil er seine Wirklichkeit mit einer oft gar nicht so harmlosen Ironie aufmischt und seine persönliche Historie mit praller Fiktion subvertiert. "was ich davon gewust habe, das hab ich geschrieben. und es ist besser, daß ich aufgehört habe, als wenn ich etwas dazugelogen hätte. da hätten sie mir etwa die ganze schistori nicht geglaubt, aber so - - glauben sie mir doch - die halbe nicht."

Die Auswahl der Mozartschen Texte besorgte der Wiener Musikwissenschaftler Gernot Gruber. Mozarts literarischer Geschmack, so Gruber in seinem Nachwort, sei kaum näher zu bestimmen. Auch sonst sei er ein Leser gewesen, der seine Lektüre eher dem Zufall überlassen habe, von einigen Ausnahmen abgesehen: Christoph Martin Wieland, Autor und Shakespeare-Übersetzer, verkehrte im Hause Mozart: "das gesicht von herzen hässlich, mit blattern angefüllt, und eine ziemlich lange Nase. die statur wird seyn: beyläufig etwas grösser als der Papa", entillusioniert der 22-jährige Mozart die Gesichtszüge, die möglicherweise durch glättende Abbildungen auf uns gekommen sind. Libretti habe er, naturgemäß, auch gelesen.

War Mozart also auch ein genialer Schriftsteller? Zumindest deuten die Texte in diesem Buch nicht darauf hin, und auch die Fachwelt hat noch keine genialischen Züge an Mozarts Briefstellerei entdeckt. Dass soll nicht heißen, dass der vorliegende Band kein vergnüglicher ist - das ist er gewiss. Die Textauswahl erzeugt Kurzweil, und die Zeichnungen von Walter Schmögner verleihen dem schmalen Buch Extravaganz. Einmal mehr die Gelegenheit, Mozart nicht zu hören, sondern ihn zu lesen.

Titelbild

Wolfgang A. Mozart: Aus dem poetischen Hirnkasten.
Herausgegeben von Gernot Gruber.
Jung und Jung Verlag, Salzburg 2003.
72 Seiten, 12,00 EUR.
ISBN-10: 3902144548

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