Schnelle Dinger

Die Neuausgabe von Peter Glasers 80er-Anthologie "Rawums."

Von Katrin SchusterRSS-Newsfeed neuer Artikel von Katrin Schuster

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Rawums. Da liegt es nun. Zum zweiten Mal. Die von Peter Glaser herausgegebene Anthologie "Rawums." erschien schon einmal 1984, wird nun, vielleicht im Zuge des von den Medien angetriebenen 80er-Jahre-Revivals, erneut der Öffentlichkeit zu lesen gegeben.

Der Punkt hinter "Rawums." ist kein modischer "dot"-Schnickschnack, sondern äußerst ernst zu nehmen, kündigt er doch an, was den Leser erwartet: ein bedeutender Auftritt, ein gewichtiger Gestus, ein großer Knall, dem nichts hinzuzufügen ist - Schluss, aus, Ende, damit ist alles gesagt. Rawums eben. Und keine Diskussion mehr. "Texte zum Thema" verspricht die Unterzeile.

Wie das aussieht? Sehr heterogen, kann man da natürlich erstmal gedehnt kommentieren. Das ist auch wahr, legt aber der ewigen Litanei der postmodernen Bruchstückhaftigkeit denn doch zu nahe. "Rawums." ist eine eigenartige Momentaufnahme, geschossen in exakt jenem Moment, in dem der Punk zum Pop geworden war. Seltsames kommt da zusammen: Mit der Gestik der lebensmüden Dandies werden provokante Thesen gerissen, lautstark das Politische eingeklagt. Man freut sich vor allem an der wunderbaren Unverfrorenheit der Schreiber, an ihrer herrlich widerwilligen und massiv politischen Inkorrektheit. Rolf Lobeck etwa zeichnet da ein Bild der Zukunft, welches, wäre es in heutigen Tagen geschrieben, wohl gleich mehrere Klagen nach sich ziehen würde: "der suhrkampverlag wird weiterhin vom bka lektoriert wie bisher. der luchterhandverlag wird als kz-leihbibliothek umfunktioniert, vorne sitzt eine verheulte adornoschülerin und holt sich dauernd einen runter. naja, kritische theorie, kennt man ja." Ein wenig Melancholie ob solcher Sätze, natürlich, aber lesen kann man das auch nur, wenn man die zwanzig Jahre dazwischen in Betracht zieht.

Der Leser braucht Geduld für die Texte aus dieser 80er-Anthologie. Weil sie springen, manifestieren, zerfallen, sich selbst zerlegen. Es sind Momentaufnahmen, keine kurzen, aber doch schnelle und heftige Dinger, die auf einen einprasseln, einen beinahe schon niederschlagen; und doch steht man danach auf, als wäre nichts gewesen. Die meisten dieser rasanten Werke verschwinden schnell wieder aus dem Gedächtnis.

"Wir müssen ihn kurz und klein schlagen den SauSinn, damit wir die notwendige Arbeit tun können", heißt es in Rainald Goetz´ Pamphlet "Subito". Seine heutigen Epigonen haben ihn vielleicht zu ernst genommen, des Herausgeber Peter Glasers Kritik an der Prosa der Befindlichkeiten nicht berücksichtigt. Denn wenn man ihm lauscht und den computergenerierten Zeilen seines Vorworts, müsste man all den Biografisten ihres eigenen Lebens den Glaser als Pflichtlektüre zur Heilung verschreiben: "Die kritische Sensibilität erreicht das Stadium, in dem man mit einem Teleobjektiv seinen eigenen großen Zeh fotografiert" und "verzagt durch die Grotten und Dome seines Innenlebens flaniert". Treffender und süffisanter hat seither niemand den Ästhetizismus der Gegenwartsliteratur formuliert.

Titelbild

Peter Glaser (Hg.): Rawums. Texte zum Thema.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2003.
317 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-10: 3462033492

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