Und was ist mit Schmidt?

In Miriam Laus Harald Schmidt-Biographie spielt Schmidt nur eine Nebenrolle

Von Torsten GellnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Torsten Gellner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Irgendwann wird Harald Schmidt eine Autobiographie schreiben, möglicherweise ein mehrbändiges Werk, angereichert mit Zitaten aus der "Minima Moralia", aus Ludwig Uhlands gesammelten Schriften und mit den Sinnsprüchen des Dalai Lama. Doch momentan, in Zeiten inflationärer Lebensbeichten kaum erwähnenswerter Qualität, wird er sich hoffentlich noch zurücknehmen. Schließlich gestand er dem "Spiegel" einstmals, er sei, nach Jahren kontinuierlichen Erfolgs, nur mehr von dem sinnlosen Gedanken beseelt, eine Legende zu werden. Im fraglichen Interview verglich er sich bezeichnenderweise zugleich indirekt mit dem Papst und ließ somit durchblicken, dass er längst eine TV-Legende des deutschen Humors ist. Dazu wurde er spätestens mit der erfolgreichen Etablierung des Late Night-Formats, woran zuvor schon einige prominente Köpfe gescheitert waren. Als Vertreter der alten, bildungsbürgerlichen Schule weiß er jedoch, dass es sich nicht ziemt, vor dem Rentenalter - wann immer das in Zukunft sein wird - seine Memoiren zu verbreiten.

So hat sich die Journalistin Miriam Lau daran gesetzt, dem hungrigen Markt eine Schmidt-Biographie zugänglich zu machen; musste dabei jedoch auf die Unterstützung durch den Meister verzichten. Das merkt man dem Werk an, denn Laus Buch wirkt angesichts etwas zu ausführlich geratener Ausflüge etwa in die bundesrepublikanische Kabarettgeschichte ein wenig aufgebläht. Ihre chronologische Darstellung der Schmidtschen Vita, von der Nürtinger Herkunft über den Besuch der Stuttgarter Schauspielschule bis hin zu späten Bochumer Theater-Engagements, wird kulturtheoretisch und zeitgeschichtlich gerahmt. Dieses Konzept funktioniert auch ganz gut, es sei denn, Rahmen und Gerahmtes treten in ein merkwürdiges Missverhältnis. So geschehen in einem Exkurs zu Carson, Letterman und Leno, der keineswegs unqualifiziert oder langatmig ist. Im Gegenteil stellt diese Passage eine kluge und fachkundige Darstellung des US-amerikanischen Komik-Phänomens dar, dem man in Deutschland wenig Chancen eingeräumt hat, bis eben jener Schmidt gekommen ist. Aber der Umfang dieser Ausführungen steht in keiner Relation zu der Tatsache, dass die Autorin etwa dem beachtlichen Erfolg der Sendung "Schmidteinander" nur knapp vier Seiten widmet, die sich noch dazu auf die Animositäten zwischen Schmidt und Feuerstein konzentrieren. Immerhin macht sie uns dabei auf eine hübsche Anekdote aufmerksam, in der einer von Schmidts Lieblingsautoren eine Rolle spielt. Der arg geprügelte "Schmidteinander"-Partner Herbert Feuerstein studierte weiland gemeinsam mit Thomas Bernhard am Mozarteum. Es wird kolportiert, dass Feuerstein auf einer Party von Bernhard persönlich am Flügel begleitet aus dessen erstem Gedichtband "In hora mortis" rezitiert und damit zur Erheiterung des Publikums beigetragen haben soll. Dass diese Reaktion nicht im Sinne des ambitionierten Autors war, versteht sich von selbst.

Wenn Lau dann die Situation des deutschen Kabaretts von der Nachkriegszeit bis zu Scheibenwischer-Zeiten nachzeichnet, gebührt ihr ein Platz im Kritischen Deutschen Kabarett-Lexikon, denn auch hier gilt: alles klug und richtig. Nur bleibt Harald Schmidt in diesem Geflecht aus Namen wie Lore Lorentz, Wolfgang Neuss und Dieter Hildebrandt irgendwo auf der Strecke. Manchmal könnte man meinen, die Biographin wisse selbst nicht mehr so recht, warum sie das alles schreibt.

Ähnliches gilt für das seitenlange und etwas wirre Portrait des von Harald Schmidt bewunderten Claus Peymanns. Die Linie Peymann-Schmidt wird von Lau allerdings nur auf folgende Episode reduziert: "Harald Schmidt durfte 1978 einmal als ausgeliehener Statist bei Peymann über die Bühne laufen, als Stummer Soldat in Tschechows 'Drei Schwestern'". Freilich, Jahrzehnte später wird Schmidt in der "Harald Schmidt Show" zusammen mit Benjamin von Stuckrad-Barre dessen schöne Bernhard-Paraphrase "Claus Peymann kauft sich keine Hose, geht aber mit essen" aufführen, aber der Eindruck, Lau wolle mit ihren Ausführungen entweder ihr kulturelles Kapital zu Markte tragen oder schlichtweg die Seiten füllen, drängt sich unweigerlich auf.

Den aktuellen, zunehmend monothematisch agierenden Schmidt mag Frau Lau nicht, letztlich zu Recht. Sicher ist es bisweilen von geringem Unterhaltungswert, wenn Harald Schmidt und seine Crew etwa Autokennzeichen raten, gemeinsam Bügeln oder Kaufladen spielen. Schmidts Improvisationstalent ist kaum schlagbar und tritt gerade im Rahmen solcher Banalitäts-Zelebrationen zu Tage, aber wozu dieser inszenatorische Minimalismus? Laus Überzeugung, dies sei möglicherweise der Faulheit von Redaktion und "El Cheffe" geschuldet, ist eine gewisse Überzeugungskraft nicht abzusprechen. Unlängst musste man sogar beobachten, wie Schmidt auf ganzer Linie scheiterte, als er in einer vierstündigen Sondersendung per Ausflugsschiff Vater Rhein bereiste und dabei trotz humorprominenter Unterstützung sowohl pointen- als auch orientierungslos herumeierte. Immerhin fiel ihm sein Flop während der Aktion recht frühzeitig auf und so machte er spontan das eigene Versagen zum unterhaltsamsten Bestandteil dieser humoristischen Durststrecke. Leider folgt Schmidt hierbei einem der räudigsten Trends der jüngsten TV-Unterhaltung - der zunehmenden "Laiisierung", besser: "Deppisierung" der Medien. Allerorten gibt es nur noch dahergelaufene Proleten zu bestaunen, die sich medial zum Affen machen, sei es als weltfremde "Superstars" in irgendeiner Casting-Show, als drogenabhängige Busengrabscher vorm TV-Gericht oder als linkshändige Heimwerker bei "SOS - Mein Haus bekommt ein Baby". Warhols proklamierte "Minutes of Fame" sind längst zu quälend langen "Minutes of Shame" geworden, und Schmidt könnte man allenfalls noch zugute halten, dass er diese Tendenz kritisch zu reflektieren sucht. Jedoch krankt die Persiflage von Trivialität und Langeweile daran, dass sie nicht selten den inkriminierten Mechanismen selbst anheim fällt.

Laus Kritik trifft also zumindest teilweise ins Schwarze und zeugt von ihrem Bemühen, keine Hagiographie abliefern zu wollen. Diese hat sie auch nicht geschrieben und trotz des gewissen Blähfaktors stellt ihre Biographie schon allein aufgrund fehlender Konkurrenz eine konkurrenzlose Handreichung für alle Schmidtianer dar. Sollte Harald Schmidt jedoch tatsächlich einmal selbst zur Feder greifen, um uns die ganze Wahrheit mitzuteilen, wird Laus Werk naturgemäß hintanstehen.

Titelbild

Mariam Lau: Harald Schmidt. Eine Biografie.
Ullstein Taschenbuchverlag, München 2003.
220 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-10: 3550075642

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