Eine neue kommentierte Edition von Peter Weiss' "Marat/Sade"

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Suhrkamp BasisBibliothek bietet "vorzüglich edierte und kommentierte literarische Hauptwerke aller Epochen und Gattungen". Genau vierzig Jahre nach der Uraufführung bringt der Suhrkamp-Verlag erstmals seit Ende der 1960er Jahre wieder die authentische Fassung des Erfolgsstücks auf den Markt, versehen mit einem Kommentar von Arnd Beise.

"Marat/Sade" ist nach einigen Werken von Brecht, Dürrenmatt und Frisch das international erfolgreichste Theaterstück der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur. Besonders wenn Gesellschaften sich neu formieren, erscheint das Stück aktuell; kein Wunder, dass die aufregendsten Neuinszenierungen zur Zeit aus osteuropäischen Ländern kommen. Wie das Volk in dem Theaterstück sehen sich die Völker dort häufig um ihre Revolution betrogen. "Marat was ist aus unserer Revolution geworden / Marat wir wolln nicht mehr warten bis morgen / Marat wir sind immer noch arme Leute / und die versprochenen Änderungen wollen wir heute".

Auf Grund seiner metatheatralischen Potenz ist das Stück aber in vielerlei Hinsicht anschließbar. Sei es, dass Achtundsechziger in ihrer Inszenierung die Geschichte der eigenen Generation spiegeln, sei es dass die Gegenwart mit ihrem asozialen Individualismus oder religiösem Fundamentalismus zum Thema wird. Eine "Partitur für Regisseure" nannte Henning Rischbieter das Stück, dessen "radikale Offenheit" häufig bewundert wurde. Diese Offenheit ist dafür verantwortlich, dass Deutungskontroversen bis heute anhalten und bewahrt dem Stück eine Frische, wie sie nur wenige Theaterstücke der 1960er Jahre besitzen. "Marat / deine Zeit ist jetzt da", ruft in dem Stück der Priester Jacques Roux: das galt zu Zeiten der Uraufführung ebenso wie es noch heute gilt.

Die Neuausgabe des Stücks bietet nicht nur einen durchgesehenen und korrigierten Text, sondern auch einen Kommentar, der alle für das Verständnis des Buchs erforderlichen Informationen enthält: eine Zeittafel zu Leben und Werk des Autors, ein Nachwort zur Problematik und Poetik des Stücks ("Mit Beilen und Messern die Welt verbessern oder Kraft der eigenen Gedanken untergehn"), Fakten zur Entstehungs-, Text-, Rezeptions- und Deutungsgeschichte, Literaturhinweise, sowie detaillierte Wort- und Sacherläuterungen mit zahlreichen historischen Dokumenten.

A.B.

Anmerkung der Redaktion: literaturkritik.de rezensiert grundsätzlich nicht die Bücher von regelmäßigen Mitarbeiter / innen der Zeitschrift sowie Angehörigen der Universität Marburg. Deren Publikationen können hier jedoch gesondert vorgestellt werden.

Titelbild

Peter Weiss: Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade. Drama in zwei Akten. Mit einem Kommentar von Arnd Beise.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2004.
180 Seiten, 7,00 EUR.
ISBN-10: 3518188496

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