Action in Perückenköpfen

Über Horus' Marbach-Manga "Schiller!"

Von Ute EisingerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ute Eisinger

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im Schiller-Jahr 2005 jährt sich der Tod des beliebtesten genialen Wilden der Deutschen. Das Schiller-Nationalmuseum und das Deutsche Literaturarchiv nahmen dies zum Anlass, beim führenden Comiczeichner Deutschlands, Horus, eine Schillerbiografie der besonderen Art in Auftrag zu geben: "Schiller!", wie sich das Ergebnis nennt, im Untertitel als "Eine Comic-Novelle" bezeichnet, richtet sich an Horus' Fangemeinde und ist dazu angetan, vor allem der Jugend den Stürmer und Dränger, der gegen Tyrannen und Wüteriche schrieb, nahe zu bringen. Fraglich, ob das gelingt.

Stoff des Marbacher Mangas sind die Ereignisse des Jahres 1782: Schillers erstes Stück "Die Räuber" ist im Selbstverlag erschienen, der Dichter reißt aus Stuttgart aus, wo er Herzog Karl August, seinem Wohltäter, als Regimentsmedikus verpflichtet ist. Die Fahnenflucht führt ihn nach Mannheim, wo er der Uraufführung seines Trauerspiels beiwohnt. Der Erfolg des Skandalstücks lässt ihn hoffen, dass auch sein zweites Drama, "Die Verschwörung des Fiesco zu Genua", vom Theaterintendanten Dalberg angenommen würde. Wieder verlässt er unerlaubt die Truppe und spricht in Mannheim vor. Doch Schillers zweiter Ausbruch wird entdeckt. Dalberg will von dem Stück nichts wissen, solange er zu den Obrigkeiten ein gutes Verhältnis hat. Damit es ihm nicht so wie dem Dichter Schubart ergehe, über den der Herzog seit Jahren Festungshaft verhängt hat, flieht Schiller weiter nach Frankfurt und über Mannheim weiter nach Thüringen. Das Buch endet mit Schillers Ankunft am Gut einer Gönnerin. Wie wir aus seinen Lebensdaten im Nachwort erfahren, ging es von da an mit dem künftigen deutschen Lieblingsdichterrebellen bergauf. Spätestens in Weimar, im Dunstkreis der etablierten Kollegen, legt sich der Sturm, und Schiller bringt es zum bezahlten Historiker, der im freundschaftlichen Dichterwettstreit mit Goethe Balladen verfasst.

Das Sympathische an diesem Versuch, einen Literaten zum Helden eines reißerischen Comic zu machen, ist die Treue zu historischen Fakten, Hintergründen und Aussprüchen, zu der Horus verpflichtet und von den Auftraggebern mit Material versorgt wurde. Als literarisches Stilmittel ganz im Sinne des "Sturm und Drang" verwendet er verschiedene Rahmen für die Handlung, lässt Bezugspersonen wie den inhaftierten Schubart, Schillers Freund Streicher und den Dichter selbst über den leidenschaftlichen jungen Mann Auskunft geben. Weniger gelungen mutet die Lösung an, längere Gedankengänge des Protagonisten in Denk-Blasen vor den Hintergrund stilisierter Gewitterwolken zu stellen. Bewusstseinsströme der literarischen Art sind wohl doch kein Ding für ein Genre, das Rhetorik auf Kaugummiblasenformat reduziert...

Über die Ästhetik des Horus' zu urteilen, ist eine andere Sache. Möglicherweise sprechen die Perückenträger und ihre verzerrten Mienen die Comics lesende Jugend ja an. Anderen mag diese Mischkulanz aus Theatermimik und Hollywood-Totale eher unangebracht erscheinen. Doch schließlich findet die Action in den Köpfen statt!

Zu guter Letzt muss man dem Comic-Macher anrechnen, dass er seinen Realismus als objektiv versteht. Es findet keine Heroisierung Schillers statt, sondern der Rebell wird durchaus von seiner anekdotenwürdig lächerlichen Seite gezeigt; etwa, als er in wildem Räubertum zwei Pistolen in sein Ränzel schnürt, von denen die eine keinen Hahn, die andere keinen Feuerstein hat.

Was einem an Horus' Schiller-Comic fehlt, ist die Bezugnahme auf Schiller-Texte der behandelten Epoche. Diese Möglichkeit hat ihm die für ARTE mit Matthias Schweighöfer in der Titelrolle verfilmte Biografie "Schiller" über das selbe Schicksalsjahr voraus. Dort allerdings wurden der Anschmiegsamkeit halber noch ein paar Liebeshändel und Bettszenen eingebaut, die sich Horus verkneifen kann - was der Glaubwürdigkeit des draufgängerischen Literaturlieblings der Deutschen keinen Abbruch tut.

Titelbild

Horus: Schiller! Eine Comic-Novelle. Mit einem Nachwort von Jan Bürges, Frank Duffner und Martin Schalhorn.
Herausgegeben vom Schiller Nationalmuseum und dem Deutschem Literaturarchiv.
Egmont Verlag, Köln 2005.
56 Seiten, 12,00 EUR.
ISBN-10: 3770429656

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