Im Grün

Heike Ollertz Bildband "Irland" weckt Sehnsüchte

Von Petra PortoRSS-Newsfeed neuer Artikel von Petra Porto

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer schon einmal an der Küste Irlands gestanden hat, das weite dunkelblaue Meer zur einen Seite, das fruchtbare grüne Land zur anderen, den wolkenverhangenen Himmel über sich, wer schon einmal gesehen hat, wie sich weiches, warmes Sonnenlicht auf aufkommenden Wellen und regennassem Gras bricht, der wird die Begeisterung verstehen, mit der man durch Heike Ollertz Bildband über die grüne Insel blättert.

Zuerst fällt die kurze Einleitung von Olaf Kanter auf, der einen Einblick in die Geschichte Irlands gibt und dabei immer wieder Zitate einfließen lässt, die von der anhaltenden Faszination der Welt für die Landschaft und die Menschen dort zeugen. Zitate werden gelegentlich auch die Fotoreihen unterbrechen: Alfred Andersch und Heinrich Böll, Flann O'Brien und William Makepeace Thakeray.

Um den Band zu vollenden, reiste Heike Ollertz, die Fotodesign an der Berliner Lette-Schule lehrt, sechsmal nach Irland, das sie vor der Arbeit am mare-Band noch nicht kannte: "Sie kletterte abends mit Stirnlampe, Stativ und schwerer Kameraausrüstung über glitschige Felsen oder ließ sich von Helikopterpiloten, die sonst die Leuchttürme versorgen, auf entlegenen Inseln absetzen, um im besten Moment auf den Auslöser zu drücken", heißt es im Vorwort. Den besten Moment hat sie sicher immer gefunden.

Die Fotos (die nicht digital verändert wurden) zeigen die kargen Küsten, an denen sich hohe Wellen brechen, die stürmische See, die schroffen Felsen, bewachsen mit widerstandsfähigen Pflanzen in den über vierzig Schattierungen, die man dem Grün in Irland nachsagt, die einsamen Straßen und verfallenen Burgen - das "sagenhafte Irland" also, das Irland, das die Touristen suchen. Einsam ist es dort, doch die Weite der Landschaft wirkt tröstend, lässt den Menschen und seine Sorgen klein und unbedeutend wirken - hier kann man Ruhe finden, so scheint es.

Kein Wunder, dass Poeten und Maler durch die Jahrhunderte hindurch immer wieder nach Irland kamen, blieben oder wiederkehrten. John Putman beschreibt, dass es vor allem die Leere der Landschaft sei, die die Menschen anziehe: Man könne sie mit den eigenen Träumen besiedeln, "dem idealen Menschen, der - unkorrumpiert - im Einklang mit Meer und Land lebt". So soll es wohl auch dem Betrachter der Fotos von Heike Ollertz ergehen: Sie gibt ihm die Möglichkeit, die Weite und Leere der irischen Landschaft zu erleben, auch ohne einen Fuß auf die Insel gesetzt zu haben. Ihre Fotos zeigen keine Menschen - nur in eines haben sich zwei ältere Ladies verirrt, die im Meer baden, ansonsten hat man beim Betrachten vieler der Bilder das Gefühl, völlig allein auf der Welt zu sein.

Doch mare wäre nicht mare, wenn sich nicht Überraschendes im Erwarteten zeigte. Einige der mit hochpigmentierten Farben auf erstklassigem Papier gedruckten Fotos kontrastieren eindrucksvoll Technik und Natur. Da liegt ein verrosteter Kahn auf vom Meer und der Zeit zerklüfteten Felsen, da strahlt das Licht eines Leuchtturms ins die dunkle irische Nacht, da fährt ein kleiner Bus durch die fast mystisch anmutende Landschaft, der LKW einer Fischfabrik hält in einer einsamen Straße.

Hier werden die Mythen über das 'wahre' und 'unverbrauchte' Irland nicht reproduziert, sondern behutsam in die 'Wirklichkeit' überführt, sodass die Sehnsucht und die Träume noch einen Platz finden.

Der Irland-Band soll der Auftakt zu einer Reihe von jährlich erscheinenden Bänden mit geografischen Schwerpunkten werden - man kann auf den Venedig-Band gespannt sein.

Titelbild

Nikolaus Gelpke (Hg.): Irland. Reisen an eine sagenhafte Küste. Fotografien von Heike Ollertz.
Mare Verlag, Hamburg 2004.
130 Seiten, 49,00 EUR.
ISBN-10: 3936543984
ISBN-13: 9783936543988

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