Tomorrow never knows

Gerhard Henschels Fanprosa "Der dreizehnte Beatle"

Von Jan FischerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jan Fischer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Jimi Hendrix, der in Monterey seiner Gitarre einen Abschiedskuss gibt und sie dann verbrennt. Janis Joplin, die sich ihre unverwechselbare Stimme mit Heroin und Alkohol heranzüchtet. George Harrison, der ein Sitarsolo spielt. Was nützt es zu wissen, dass das Gesamtwerk der Beatles etwa 570 Megabyte umfasst und man es ohne Probleme auf einem iPod mit sich herumschleppen kann? Peter Fonda wusste, wie es ist tot zu sein. Jedenfalls behauptete er das auf LSD. Also her mit dem Zeitgeist, und wenn es nur Fetische sind, und wenn es nur frühe Monopressungen oder Platten mit Rechtschreibfehlern auf dem Cover sind. Was ist schon ein iPod, so schön er auch sein mag, gegen zerkratztes Vinyl? Turn on your mind, relax and float downstream. Was für eine Zeit muss das gewesen sein, in der in der "Times" eine Anzeige gegen das Verbot von Marihuana (unter uns: Gras) erschien? Und wie wunderbar muss einem das vorkommen, wenn es neu ist?

Noch ein letzter Blick ins gute alte Jahr 2005, das Jahr der iPods und der Wahl, die niemand verlor. Und dann ab in die Yellow Submarine, die eine gute Fee uns bereitgestellt hat. Ab ins Jahr 1966. Das Jahr des LSD. Die gute Fee, die uns dorthinschickt, heißt Gerhard Henschel. Und die gute Fee, die seine Hauptperson Daniel dorthin schickt, ist original 2005. Sie säuft, raucht und ist motzig. Daniel wünscht sich neben der Zeitreise auch noch ein bodenloses Portemonnaie, besorgt sich einen Pass auf den Namen Billy Shears, mietet sich im Ritz ein und hat eine Mission. Er will verhindern, dass Yoko Ono und John Lennon zusammenkommen. Denn Yoko hat, so seine Argumentation, die Beatles auseinander gebracht. Er provoziert versehentlich einen Autounfall, bei dem John Lennon ins Koma fällt. Lennon bleibt im Koma, anstatt mit seinen Kumpanen "Sgt. Pepper" einzuspielen. Billy Shears hat währendessen viel Spaß mit dem Zeitgeist, nimmt LSD, trägt Marianne Faithfull huckepack und versucht, Janis Joplin oder Jimi Hendrix vor ihrem frühen Tod zu warnen. Die glauben ihm natürlich nicht, und von Eric Clapton handelt er sich eine gebrochene Nase ein. Weil Lennon lieber mit Yoko Ono bei der New Yorker Heilsarmee arbeitet und die anderen Beatles der Meinung sind, sie müssten jetzt doch eher Schauspieler werden oder in Indien wohnen, gründet er eine eigene Band, um die noch nicht geschriebenen Beatles-Stücke unters Volk zu bringen. Was natürlich nur scheitern kann, wenn man nach einer Gitarrenverbrennaktion von Jimi Hendrix auftreten muss.

Und Hurra! Die Welt hat ein Stückchen Fanpoptrash mehr. Das ist super. Wenn man sowas mag. Der ernsthafte Literaturfeuilletonist, würde dieses Buch allerdings in die Ecke werfen und bei den zarten Klavierklängen Schönbergs noch einmal die "Dialektik der Aufklärung" lesen. Doch, mal im Ernst, wer will schon so einer sein? Hat man doch auch schonmal am "Texas Chainsaw Massacre" seine Freude gehabt und überhaupt gegen die verflixte Kulturindustrie nie sonderlich viel einzuwenden gehabt.

Zugegeben, es ist wenig einfallsreich, Jimi Hendrix als "Gitarrengott" zu bezeichnen oder Janis Joplins Stimme als "kratzig". Henschel erzählt in sehr bemühter, dafür aber aber wenig interessanter Rollenprosa. Und die eingeworfenen Songtextstücke nerven auch ein bisschen, am meisten so gegen Ende, es sind einfach zuviele. Aber was soll's. "Der dreizehnte Beatle" macht zu viel Spass, als dass man sich an solchen Kleinigkeiten aufhängen möchte. Wenn man alte Freunde trifft, regt man sich auch nicht darüber auf, dass sie immer noch dieselben blöden Eigenarten haben. Sondern freut sich an den alten Geschichten, die die Freundschaft noch einmal aufleben zu lassen, die noch einmal ein Stückchen von dem zurückzuholen, was einen einst zusammen gebracht hat. Weißt du noch, damals in Spanien? Die Tochter vom Tauchlehrer? Die hat uns damals dieses Zeug vertickt, danach hab' ich "Norwegian Wood" erst richtig verstanden.

In dieser Hinsicht leistet Gerhard Henschel beachtliche Arbeit. Denn "Der dreizehnte Beatle" ist nicht hauptsächlich die Story von Daniel/Billy Shears, sondern besteht aus den Geschichten, die sich hinter der Musik der Beatles und ihren Zeitgenossen verbergen. Henschel setzt hunderte kleiner Anekdoten zu einem Bild der Popjahre 1966-1970 zusammen, um damit eine Epoche wieder mal aufleben zu lassen, die alle gerne so erlebt hätten. Und erklärt, dass die Welt auch nicht wesentlich schlimmer wäre, wenn es statt dreizehn nur sieben Beatles-Alben gegeben hätte. Wieviel davon der Wahrheit entspricht, steht auf einem anderen Blatt. Letzlich ist das auch nicht wirklich wichtig. Ein bisschen Mythos hat noch jeder Epoche gutgetan.


Titelbild

Gerhard Henschel: Der dreizehnte Beatle. Roman.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2005.
206 Seiten, 16,95 EUR.
ISBN-10: 3455031722

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