Von der Minderwertigkeit der Frau

Ursula Floßmanns rechtshistorische Rückschau pseudowissenschaftlicher Methoden der Frauendiskriminierung

Von Regina KalthegenerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Regina Kalthegener

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In Bezug auf Frauen scheint es Rechtsgelehrten in Westeuropa Jahrhunderte lang weniger um wissenschaftliche Erkenntnisse als um zweck- und zielgerichtete Diskriminierung gegangen zu sein. In ihrer etwas anderen Rechtsgeschichte deckt Ursula Floßmann das diktatorische Herrschaftssystem mit seinen parteiischen Argumenten für die Diskriminierung des weiblichen Geschlechts auf.

Als Koordinatorin des Studienschwerpunktes "Frauenrecht" an der Linzer Universität begleitet sie das Ausbildungsprogramm mit rechtshistorischen Lehrveranstaltungen. Geschlechterspezifische Untersuchungen und Recherchen zu Gender Studies führten die Autorin zu der Erkenntnis, "dass die Auflösung der Jahrhunderte lang verfestigten Strukturen der Frauendiskriminierung nur gelingen kann, wenn die geschichtliche Situation der Frauen, ihre Rolle in der Gesellschaft und ihr Anteil am Fortschritt der Menschheit gekannt und verstanden werden". Der Leitfaden für den Rechtsunterricht bietet hierfür eine gute Grundlage. Er spannt eindrucksvoll einen weiten Bogen von der Antike bis zur Gegenwart. Es handelt sich dabei zwar in erster Linie um die Darstellung der rechtshistorischen Entwicklungen in Österreich. Diese kann aber nicht losgelöst betrachtet werden von den revolutionären Entwicklungen, deren Wurzeln insbesondere in Frankreich, England und Deutschland liegen. Deshalb widmet sich die Autorin besonders diesen gemeinsamen Kapiteln frauenrechtlicher und gesellschaftspolitischer Geschichte.

So hat sich beispielsweise im Früh- und Hochmittelalter die Schlechterstellung der Frau sowohl im Privaten, wie dem Ehe- und Erbrecht, als auch ihre Rechtlosigkeit in öffentlichen Belangen immer mehr manifestiert. Die Autorin belegt, dass besonders Theologen und Rechtsgelehrte diesen Zustand mit pseudowissenschaftlichen Theorien untermauerten. Aufbauend auf einer, der Antike entstammenden Auffassung über die "Inferiorität", der Minderwertigkeit, der Frau, bedienten sich Rechtsgelehrte und Kirchenmänner ungeniert zweckorientiert der Meinung griechischer Philosophen, wie der von Aristoteles über die Wertlosigkeit weiblicher Nachkommenschaft, um ein sehr unterwürfiges Frauenbild zu propagieren. Von ihm stammen die Aussagen, "man muss ja Weiblichkeit als einen natürlichen Mangelzustand ansehen"; "ein Weibchen ist wie ein verkrüppeltes Männchen". Den Versuchen der "Emanzipationsbewegung belesener Frauen" im 14. Jahrhundert, an der quasi rechtlosen Stellung der Frau zu rütteln, folgte als Gegenbewegung die Hexenverfolgung. Erst langsam und im Zeitalter der Aufklärung wurde der Weg für mutige bildungspolitische Forderungen für Frauen bereitet. So unterstreicht die Autorin, wie wichtig zum Beispiel das Schaffen von Dorothea Erxleben war, die in ihrem 1742 erschienen Werk "Gründliche Untersuchung der Ursachen, die das weibliche Geschlecht vom Studieren abhalten" die gängigen Vorurteile gegen ein Frauenstudium widerlegte. Dagegen trat Jean-Jacques Rousseau mit "Emile ou del éducation" 1762 zunächst immer noch lediglich für die Erziehung der Frau zur Mutter ein.

Detailreich setzt sich Ursula Floßmann mit dem Scheitern von Olympe de Gourges 1791 verfasster "Declaration des Droits de la Femme et de la Citoyenne" für die Umsetzung von Gerechtigkeit für Frauen im Privatleben auseinander. Die Autorin analysiert die Fortführung des Gleichheitsdiskurs' und die verfassungsrechtliche Verankerung des Gleichheitssatzes und stellt die Matriarchatsforschung und die Thesen von Friedrich Engels und August Bebel dar. Ausführlich beschäftigt sie sich mit der "Alten Frauenbewegung" in Österreich und Frankreich, den Reformvorschlägen und Forderungen in Deutschland und dem Kampf der Suffragettenbewegung in England. Bemerkenswert sind die Ausführungen der Autorin über die "Eliminierung geschlechterdemokratischer Ansätze in der faschistischen Epoche" des Nationalsozialismus. Sie zeigt ab 1933 die Entwicklung vom "Austrofaschismus" auf, mit seiner Festlegung auf die katholische Hausfrau und Mutter und der Eliminierung des Gleichheitsgrundsatzes seit dem "Anschluss an Hitler-Deutschland 1938". Von der Glorifizierung der Frau als Mutter einerseits, der Ausbeutung ihrer Arbeitskraft andererseits, bis hin zum "Weg des Deutschen Mädels" lässt die Autorin kein frauenpolitisches Detail aus. Bei der Schilderung der "Entwicklungen nach 1945" verkürzt Ursula Floßmann allerdings die rechtshistorische Darstellung und setzt den Schwerpunkt auf die Entwicklung der gesetzlichen Gleichstellung von Frauen und die Wirkungen der CEDAW in Österreich. Für die Autorin ist Gender-Mainstreaming der Dreh- und Angelpunkt für einen neuen Ansatz in der Geschlechterpolitik.

Mit einer Fülle von Originalzitaten und Quellenhinweisen führt Ursula Floßmann durch die Jahrhunderte. An der Darstellung gefällt, dass die Autorin einerseits sachlich die Chronologie der Ereignisse aus der Frauenperspektive beschreibt, in der Art und Weise der Gegenüberstellung von weiblichem Aufbegehren und männlichem Niederschlagen von Reformbestrebungen, aber dennoch Partei ergreift für frauenspezifischen Belange. Obwohl die Geschichte der Frauenrechte in Österreich in Ursula Floßmanns "Frauenrechtsgeschichte" im Mittelpunkt stehen, ist das Buch sicherlich auch für Leserinnen und Leser anderer Länder eine sehr informative und spannende Lektüre.


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Ursula Flossmann: Frauenrechtsgeschichte. Ein Leitfaden für den Rechtsunterricht. Linzer Schriften zur Frauenforschung.
Trauner Verlag, Linz 2004.
298 Seiten, 25,00 EUR.
ISBN-10: 3854876033

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