Worte des Widerstands

Judith Butlers bislang nicht angemessen gewürdigtes Werk "Haß spricht" als Taschenbuchausgabe

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Seit es 1998 auf den deutschsprachigen Buchmarkt kam, stand Judith Butlers Werk "Haß spricht" im Schatten ihrer beiden (wie man für den Wissenschaftsbereich durchaus sagen kann) Megabestseller "Das Unbehagen der Geschlechter" (1991) und "Körper von Gewicht" (1995). Vielleicht wird sich das nun mit Erscheinen der Taschenbuchausgabe etwas ändern. Verdient hätte es das Buch allemal.

Butler, die immer wieder und völlig zu unrecht beschuldigt wurde, den Feminismus entpolitisiert zu haben, betont ausdrücklich, dass das "Hauptanliegen" des vorliegenden Buches nicht nur rhetorischer, sondern ebenso sehr "politischer Art" ist. Das wundert nicht, denn beide Momente sind in Butlers Ansatz untrennbar miteinander verwoben, ist es doch ihre "Theorie der sprachlichen Handlungsmacht", die eine politisch-subversive Alternative zur "endlosen Suche" nach rechtlichen Mitteln für die Bekämpfung von hate speech (der Verletzung durch sexistische - oder auch rassistische und andere - Formen der Beleidigung) an die Hand liefert.

Butlers Ansatz fußt auf ihrer bereits früher entwickelten Erkenntnis, dass es sich bei jeder Äußerung um eine Zitation einer vorherigen Äußerung handelt, und dass es zugleich zum Wesen der Wiederholung gehört, das Wiederholte nie völlig exakt wiederholen zu können. Genau dies ist die Bedingung der Möglichkeit einer subversiven Umdeutung und Verschiebung von Hassworten. Denn so kann "Sprechen in anderer Form an seinen Sprecher 'zurück[ge]sende[t]' und gegen seine ursprüngliche Zielsetzung zitiert" werden, so dass schließlich eine "Umkehrung der Effekte" bewirkt werden kann. Ein berühmtes, auch von Butler angeführtes Beispiel ist die "Neubewertung" des Ausdrucks queer.

Die Strategie, sich die Kraft verletzender Sprechakte "fehlanzueignen", widersetzt sich Butler zufolge zum einen der "Rückkehr zur unmöglichen Vorstellung von der 'souveränen Freiheit des Individuums'" und zum anderen der (alleinigen) Lösung des hate speech-Problems "durch eine staatlich gestützte Zensur". Denn juristische Strategien, wie sie von einigen feministischen und sozialen AktivistInnen - etwa von Catharine MacKinnons in ihrem Buch "Nur Worte" - propagiert werden, bergen der Argumentation Butlers zufolge die Gefahr, dass die geforderten Zensur- und Verbotsmaßnahmen genau gegen diese Bewegungen selbst gewendet werden können, weil sie die Staatsmacht, insbesondere die gesetzliche, in Bezug auf die dargestellte Problematik ausweiten. Zudem könne ein "Redeverbot" dem verletzenden Charakter von hate speech nicht entgegenwirken. Würden Worte einfach verboten, so bliebe ihre verletzende Bedeutung nicht nur erhalten, sondern sie würde darüber hinaus als "fest und unabänderlich" angenommen. An die Wurzel von hate speech aber könne man nur gelangen, wenn man "Wege des Wieder-Sprechens" finde, die sie ihrer verletzenden Wirkung beraube und das ehemals verwundende Wort in ein "Instrument des Widerstands" verwandle.

Das allerdings bedeute nicht, dass man alleine auf die subversive Resignifikation von verletzender Rede setzen und grundsätzlich auf rechtliche Mittel verzichten solle. In "bestimmten Fällen" befürwortet auch Judith Butler eine strafrechtliche Verfolgung.


Titelbild

Judith Butler: Haß spricht. Zur Politik des Performativen.
Übersetzt aus dem Englischen von Menke, Katharina / Krist, Markus.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2006.
264 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-10: 3518124145

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