Modemorde
Michael Merschmeier liest die richtigen Bücher, aber schreibt er auch die richtigen?
Von Walter Delabar
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseKann ein Buch schlecht sein, in dem die Hauptfigur, ein schwuler Berliner Kommissar Ende vierzig, mit Heinrich Manns "Henri Quatre" im Handgepäck nach Südfrankreich fährt, um sich über eine unglücklich verlaufende Liebschaft hinwegzutrösten? Kann eigentlich nicht. Kann aber leider doch. Kann ein Verleger, der so löbliche Projekte wie "Literaturen" und "Theater heute" betreut, ein schlechtes Buch schreiben? Und darf man es langweilig oder übertrieben nennen? Darüber reden wir nicht. Denn leider ist niemand davor gefeit, vor nichts gefeit, übrigens nicht einmal ein Kritiker davor, einen ungerechtfertigten Verriss zu schreiben.
Aber Hand aufs Herz: Braucht jemand einen Krimi, der im mondänen Kunstberlin spielt, das mit dem globalisierten Modebusiness mit dem Nabel Paris eng verbunden ist? Natürlich jeder, der es haben möchte. Allerdings sollte das Ganze weniger von Akteuren bestimmt sein, die mal eben Flugunfälle überleben, um danach das Modebusiness aufzumischen und die Machtkonzentration dortselbst weiter voranzutreiben. Mit allen Nachteilen, die das haben mag, zum Beispiel - arg konventionell - die Verdrängung der wahren Kreativen (die in jedem Fall eine Menge Koks und andere Aufheller und Dämpfer brauchen, um kreativ zu sein) durch die Anzug tragenden Controller. Es ist eines der unerklärlichen Geheimnisse des literarischen Lebens, dass gerade für die doch vom pekuniären Erfolg so abhängige Ökonomie der Einfluss der Controller derart vehement beklagt wird. Es gibt eben keine wahren Unternehmer mehr heutzutage, nicht einmal in der Literatur.
Aber wenigstens gibt's da echte Mörder und echte Tote. Angefangen mit einem jungen hoffnungsvollen Maler, der sich durch (anscheinend ziemlich miese) Aktmalereien in der Berliner Kunstszene durchzusetzen scheint. Aber neben dem Erfolg, den er mit seinem eigenen Werk hat, gab es offenbar noch eine weitere Einnahmequelle. Immerhin wird dem jungen Mann auch nachträglich bescheinigt, dass er nicht nur en vogue, sondern auch ein hervorragender Techniker gewesen ist. Eine Mappe mit Werken im Stile alter Meister legt den Verdacht nahe, man könne es hier mit einem Mord im Fälscher-Milieu zu tun haben. Kommissar Frölich, liiert mit einem erfolgreichen Schauspieler, befreundet mit Hinz und Kunz in der internationalen Ermittlerwelt, beginnt seine Nachforschungen. Allerdings ist er ein wenig gedrückt in seiner Stimmungslage, weil der Lebensgefährte eine Affäre mit einer Kollegin hat (anscheinend bei einer Neuverfilmung der "Schönen Querulantin" nach Balzac, ein schöner Film damals mit Michel Piccoli und Emmanuelle Béart). Aber damit nicht genug: Es gibt noch ein paar weitere Fährten, die zwar nicht dem Ermittler, sondern den Lesern gelegt werden und die in die bereits erwähnte Modewelt weisen, via einer Modezarin namens Laureen Dashwood, die zwischen London, Berlin, München und Paris pendelt, sich für kreativ hält, Studenten ihrer Berliner Klasse niedermacht, sich im Geschäftemachen übt und sich selbstverständlich die notwendigen Lustknaben hält. Himmel! Wenn es denn in der Modewelt derart zugeht, dann darf sich jeder glücklich schätzen, ja frölich, wenn er damit nun rein gar nichts zu tun hat.
Am Ende haben wir es mit einer Melange von allem zu tun. Kommissar Frölich ermittelt erfolgreich, die Fälscher-Bande fliegt auf, die Modezarin wird Modekaiserin, die verkannte Studentin erweist sich als die wahre Täterin und die Modewelt erlebt eine weitere triumphale Übernahme.
Merschmeier trägt ein bisschen viel auf, er ist außerdem und nicht zuletzt ein wenig zu verspielt. Die Anleihen an der Kitschvariante der großen weiten Welt sind vielleicht ironisch gemeint, erinnern aber am Ende doch mehr an die diversen Vor- und Frühabendserien, in denen sich Grafen, Winzerkönige und Großbürgerliche um Erb- und Liebschaften streiten, um am Ende einander doch in die Arme zu fallen, wie es sich gehört.
Auch das Spiel mit den Schauplätzen und Namen scheint um das bisschen zu stark und undiszipliniert, das den guten vom nicht ganz so guten Text unterscheidet. Fasanen und Pariser müssen Platz und Straße tauschen, aber Winterfeldtplatz und Uhlandstraße dürfen bleiben? Namen wie Frölich, Winkel, Chrysler, Deus - die Sitte der sprechenden Namen treibt immer noch Blüten und darf das ja auch. Aber in solch einem Umfeld wird's am Ende vielleicht doch zuviel. Aber auch hier gilt: Wem's gefällt, der lasse sich nicht das Vergnügen nehmen.
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