Körper machen Leute
Randi Gunzenhäuser über artifizielle Körperkonzepte im Wandel
Von Rolf Löchel
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseNicht länger Kleider, Körper machen heutzutage Leute, konstatiert Randi Gunzenhäuser in ihrer Arbeit über "Körperkonzepte im Wandel", denen sie anhand von Automaten, Robotern und Cyborgs nachgeht. Aus der Perspektive amerikanischer Kulturwissenschaft untersucht die Autorin die "Entstehung, Verschiebung und Auflösungsprozesse" von "Grenzziehungen" zwischen 'natürlichen' menschlichen Körpern und 'künstlichen' Maschinenwesen. Der Untersuchungszeitraum reicht vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Herangezogen werden - überwiegend US-amerikanische - Texte respektive Aufschreibesysteme aus den Medien Buch, Film und CD-ROM. Im Zentrum von Gunzenhäusers Interesse stehen die "Wunschkonstellationen, die sich auf die Verhältnisse zwischen den Geschlechtern richten", und deren Verbindung mit den jeweiligen Medientechnologien, die sich - so lautet ihre These - "durch das Verhältnis, das sie als spezifische Technologien zu menschlichen Körpern unterhalten" definieren, indem sie "historisch und ästhetisch spezifische Konventionen für Körperbilder" produzieren. Dabei betont die Autorin, dass sie "den eigenen - historisch spezifischen - Standpunkt" stets mitreflektiert.
Drei "historische Einschnitte" markieren Gunzenhäuser zufolge die Zeiträume, in denen es zu "Neuordnungen der Verhältnisse zwischen Technik, Körpern und Kunst" kommt. Etablierten sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts "bürgerliche Erzählkonventionen" in der Literatur, so setzte sich der Film als "Massenmedium" zu Beginn des folgenden Dezenniums durch. Ende des 20 Jahrhunderts erfolgte schließlich die Verbreitung digitaler Medien, namentlich der CD-ROM.
Ausgehend von Foucaults diskurstheoretischem Ansatz fußt die vorliegende Arbeit auf der Annahme, dass Körper auf Körperkonzepten gründen und nicht umgekehrt. Des weiteren greift Gunzenhäuser "Anregungen" von Teresa de Lauretis und Judith Butler auf.
Ihre Arbeit gliedert sich in drei analytische Kapitel. Sie sind nach den genannten historischen Einschnitten organisiert und konzentrieren sich auf jeweils eine von drei Arten der "Maschinen-Mensch-Verbindung": Automaten, Roboter und Cyborgs. Zuvor steckt die Autorin jedoch in theoretischer Hinsicht das "Feld von Körperdisziplinierung, medialer Inszenierung und technologischer Zurichtung" ab. Körper und Macht, erklärt Gunzenhäuser, sind nicht getrennt voneinander zu verhandeln, da "Normalisierungs- und Widerstandsdiskurse, denen sich Körper und Körperidentitäten ausgesetzt sehen" "Teil einer Biomacht" sind, die alle erreicht und daher auch alle betrifft.
Wie Gunzenhäuser anhand konkreter Analysen aus Beispielen der englischsprachigen Literatur vom ausgehenden 18. bis ins beginnende 20. Jahrhundert, europäischer Filme um und nach 1900 sowie Computerspielen des letzten Dezenniums vor der Jahrtausendwende zeigt, treten Bilder von "grenzwertigen", "deformierbaren" und für "äußere Einwirkung" durchlässigen Körpern "verstärkt" in Zeiten auf, in denen sich Körpernormen auf der Grundlage veränderter "Wahrnehmungs- und Darstellungsmodalitäten" neu formieren müssen. Deutlich wird nicht zuletzt, "daß Mensch-Maschine-Grenzüberschreitungen immer in die jeweilige gender-Ökonomie eingebunden sind und diese bis heute vorantreiben".
Gunzenhäuser hat eine solide Untersuchung vorgelegt, die wirklich originelle und somit überraschende Thesen allerdings vermissen lassen mag.