Zwei ramponierte Ermittler und ihr größter Coup
Mit „Die Stunde des Löwen“ legt der Südafrikaner Deon Meyer seinen neunten Bennie-Griessel-Roman vor
Von Dietmar Jacobsen
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseAuch sechs Monate nachdem sie suspendiert, degradiert und strafversetzt wurden, sind Bennie Griessel und sein Partner Vaughn Cupido noch bei der Polizei in Stellenbosch, einer kleinen Universitätsstadt knapp 50 Kilometer östlich von Kapstadt. Einst als erfolgreiche Ermittler für die „Valke“ unterwegs, Südafrikas Spezialeinheit für Organisierte Kriminalität, Wirtschaftsdelikte sowie Korruption und andere schwere Verbrechen, sollen sie sich in der Provinz bewähren, weil sie in einem Fall von nationaler Bedeutung zu eigenwillig gehandelt haben. Aber auch abseits von Kapstadt gibt es Verbrechen, mit deren Aufklärung es dem sympathischen Duo gelingen könnte, sich zu rehabilitieren und sowohl ihren alten Rang als auch ihren alten Arbeitsplatz zurückzuerobern. Zumindest Cupido glaubt fest an eine Wendung ihres Schicksals zum Guten, während Griessel drei Wochen, bevor er sich endgültig mit der berühmten Sängerin Alexa Barnard auf das Abenteuer Ehe einlassen will, andere Gedanken durch den Kopf gehen.
Zum Beispiel der, wie sich ihr aktueller Fall einer tot neben ihrem teurem Fahrrad aufgefundenen Studentin mit mysteriösen Kratz- und Bissspuren an den Beinen mit der Tatsache verträgt, dass es höchste Zeit scheint, sich endlich um einen gut sitzenden Hochzeitsanzug zu kümmern und sich ein während der traditionellen Zeremonie vorzutragendes Eheversprechen einfallen zu lassen. Zum Glück dauert es nicht allzu lange, bis Cupido und Griessel auf Spuren stoßen, die eine schnelle Lösung des Rätsels um die Tote nahelegen. Doch als sie sich den Mann vorknöpfen, dessen beide Rottweiler offensichtlich die Schuld am Tod der jungen Radfahrerin tragen, ist der kurz danach ebenfalls nicht mehr am Leben. Und es beginnt die Jagd auf einen Gegner, der skrupellos, mit allen Wassern gewaschen und gerade dabei zu sein scheint, einen Coup vorzubereiten, der alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt.
Seit 2004 erscheint Deon Meyers Romanreihe um den Kapstädter Polizisten Bennie Griessel in seiner Heimat. In Die Stunde des Löwen tritt der Mann nun zum neunten Mal auf. Bis auf den ersten Band der Reihe tragen alle deutschsprachigen Ausgaben die Handschrift der in Köln lebenden Übersetzerin Stefanie Schäfer – und die hat aus dem sicher nicht immer leicht zu übertragenden Afrikaans Meyers ein geschmeidiges Deutsch gemacht, in dem auch der Dialogwitz zwischen Griessel und seinem Partner nicht zu kurz kommt. Letzterer wird vor allem immer dann gebraucht, wenn der Farbige Cupido seinem weißen Partner wieder einmal die Leviten lesen muss, weil dessen zu Vergrübeltheit und Melancholie neigendes Temperament ihn erneut in gefährliche Nähe zu dem Teufel Alkohol gebracht hat, mit dem er seit Jahren im Clinch liegt.
Allein allzu spaßig sind die Umstände nicht, mit denen sich Griessel und Cupido diesmal auseinanderzusetzen haben. Denn sie bekommen es mit einer gut organisierten Bande zu tun, die es auf eine riesige Goldmenge abgesehen hat, die der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi einst bei seinem Präsidentenfreund in Südafrika parken ließ. Die Hoffnung, dass sein Reichtum zu ihm zurückkehren würde, wenn die nordafrikanischen Unruhen, die unter dem Namen „Arabischer Frühling“ bekannt wurden, überstanden wären, erfüllte sich für den Libyer freilich nicht – man weiß, wie der Mann, der auf Auslandsreisen gern in einem Beduinenzelt übernachtete und sich von einer weiblichen Eliteeinheit schützen ließ, im Oktober 2011 endete.
Aber ein plötzlich herrenlos gewordener Goldschatz, von dem nur wenige wissen, darunter die fünf Mitglieder jener kampferprobten Spezialtruppe, die ihn in einer gefährlichen Nacht- und Nebelaktion nach Südafrika überführt hatten: Welch eine Vorlage für einen Spannungsroman! In Die Stunde des Löwen nutzt Deon Meyer die Tatsache, dass tatsächlich Geldeinlagen, Diamanten und Gold im Wert von mehr als einer Milliarde Dollar aus Libyen in Südafrika versteckt waren, dazu, seine beiden Ermittler mit einem abenteuerlichen Raubzug zu konfrontieren. Denn dass einige der sogenannten „Staatsplünderer“ nach dem Abgang des Präsidenten noch schnell das große Geld machen wollen, indem sie die an ihn gefallenen Goldschätze an den Meistbietenden verscherbeln, gedenkt ein kleiner, aber verwegener Haufen von ehemaligen Elitesoldaten für sich auszunutzen.
Die haben bereits einmal, aber erfolglos versucht, an einen Teil jenes Geldes zu kommen, das in der Ägide von Präsident Zaca von ihm selbst und seinen engsten Vertrauten widerrechtlich beiseite geschafft wurde. Nun, beim zweiten Versuch, wird die Gruppe, zu der auch die aus einem früheren Roman Meyers – Spoor (2010, deutsch unter dem Titel Rote Spur 2011) – bereits bekannte Safariführerin Christina Jaeger gehört, von Tau Berger, dem letzten Überlebenden jenes Quintetts gut ausgebildeter Kämpfer unterstützt, die das Gold vor gut einem Jahrzehnt auf seinem Weg von Tripolis nach Kapstadt begleiteten. Doch dieser Mann hat einen ganz anderen Plan, bei dem ihm jeder aus der Gruppe, der er sich zunächst anschließt, im Wege ist.
Mit leicht verfremdeten Hintergründen – aus Jacob Zuma wird Joseph Zaca, aus den Gupta-Brüdern, indischstämmigen Geschäftsleuten, die im Verein mit dem Präsidenten das Land über Jahre ausplünderten, die Chanda-Familie – äußert der Autor auch in Die Stunde des Löwen seine Besorgnis über aktuelle Entwicklungen in seiner Heimat. Noch immer agieren diejenigen im Schatten der Macht, die das Land unter seinem letzten, 2018 zurückgetretenen Präsidenten, an den Rand des Untergangs gebracht haben. Die Kriminalität ist hoch. An den Kräften, die sich ihr entgegenstellen sollen, wird gespart. All das bringt Bennie Griessel zu der Erkenntnis:
Du arbeitest bei einer Polizeibehörde, die durch und durch marode ist […] Die Verbrechensrate steigt, jeden Tag gibt es neue Hiobsbotschaften über Korruption, Geldverschwendung und Missmanagement […] Alles hängt an der Politik, den internen Machtkämpfen und dem Gerangel darum, wer sich zuerst die Taschen vollmacht […] Ich bin in meinen Grundfesten erschüttert.
Dass ihm der Alkohol auf Dauer nicht aus dieser Stimmung heraushelfen wird, weiß Meyers Held aus den bitteren Lehren der Vergangenheit. Ob es die Ehe mit der ihn liebenden Alexa sein wird, erfahren Deon Meyers Leserinnen und Leser hoffentlich in den nächsten Bänden der Reihe. Immerhin haben Griessel und Cupido jetzt wieder eine echte Aufgabe: Sie arbeiten ab sofort für die neugegründete NPA (National Prosecuting Authority), mit der der aktuelle Präsident Südafrikas auf die Staatsplünderung während der Amtszeit seines Vorgängers zu reagieren hofft. Eines ist dabei freilich klar: Ungefährlicher wird es auch in Zukunft nicht für ein Ermittlerduo, das Leserinnen und Lesern in der ganzen Welt inzwischen ans Herz gewachsen ist.
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