Whiskey & Leopardenmuster statt Wein & Blumen

Julia Korbiks „Bonjour Liberté“ stellt die erste deutschsprachige Teilbiographie der französischen Autorin Françoise Sagan dar, wobei Titel und Inhalt wenig miteinander verbindet.

Von Aileen StickelbrucksRSS-Newsfeed neuer Artikel von Aileen Stickelbrucks

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Buch versteht sich als eine Teilbiographie der französischen Bestseller-Autorin Françoise Quoirez, die unter dem Pseudonym Françoise Sagan bekannt wurde. Sagan wurde 1935 geboren und schrieb mit gerade einmal 18 Jahren ihren Debütroman Bonjour tristesse, der auch den Titel Korbiks inspirierte. Die französische Öffentlichkeit war nicht nur an ihren literarischen Werken interessiert, sondern vor allem am Lebensstil der Sagan, mit dem man sie kurz und gut als ‚Lebefrau‘ betiteln kann.

Das Buchcover ist rosa, im Zentrum ein Schwarz-Weiß-Foto einer lächelnden Frau, Françoise Sagan, deren Bluse gelb eingefärbt wurde. Umgeben ist sie von Illustrationen verschiedener Gegenstände: Es ranken sich neben diversen Blüten eine Flasche Rotwein, ein Sonnenschirm und ein Stück Terrazzo-Muster um sie – sollte man es in einem Wort beschreiben, so wäre es „lieblich“. Herzlich wenig hat dieser erste Eindruck mit Françoise Sagan zu tun, deren liebstes alkoholisches Getränk Whiskey war, die eine Schwäche für schnelle Autos hatte, Leopardenmuster liebte, die als taffe, starke Frau auftrat und ihr Leben selbstbestimmt führte.

Ebenso hält der Titel Bonjour Liberté. Françoise Sagan und der Aufbruch in die Freiheit nicht ein, was er verspricht: Suggeriert wird damit, Sagan habe sich in bestimmten gesellschaftlichen Zwängen und Strukturen befunden, aus denen sie sich befreit habe. Doch wie dann auch dem Inhalt des Buches entnommen werden kann, trifft dies nicht zu. Sagan wächst in einer modernen Familie auf, von den Zwängen der Schule lässt sie sich nicht einschränken und durch ihren Erstlingsroman genießt sie bereits in jungen Jahren eine gewisse finanzielle Freiheit, mit der sie sich einen ausschweifenden Lebensstil leisten kann. Bei einem genaueren Blick könnte man sogar zum gegenteiligen Schluss kommen: Sagan brach niemals in die Freiheit auf. Sie konnte sich nie von den eigenen Selbstzweifeln und der Einsamkeit frei machen. Zwar lebte sie ihr Leben nach ihren Vorstellungen, doch war sie stets darauf bedacht, ihre Sexual- und Lebenspartner:innen von der Öffentlichkeit abzuschirmen, sie outete sich nie als bisexual und ging zweimal eine Ehe ein, ein Konstrukt, das gerade in ihrer Zeit nicht von Freiheit strotzte.

Neben Pro- und Epilog gliedert Korbik Bonjour Liberté in vier Teile. Im ersten Teil lernt der Lesende die junge Françoise kennen, die in der wohl situierten Familie Nesthäkchen und Papas Liebling ist und es mit akademischen Anstrengungen nicht so genau nimmt. Der zweite Teil widmet sich dem, wie Korbik es nennt, „Charmanten Monster“, der 18- bis 21-jährigen Sagan. Der Lesende erfährt vom französischen und internationalen Durchbruch der jungen Autorin und wie die französische Öffentlichkeit Sagan als Ikone feiert. Man liest von einer selbstbestimmten Frau, die sich von ihrem ersten Geld einen Sportwagen kauft, das Nachtleben und Urlaube an der französischen Küste liebt, immer gern in Gesellschaft ist und sich an ihrem 21. Geburtstag einen großen Wunsch erfüllt, den ersten Besuch eines Casinos. Teil Drei bespricht die „Vollbremsung“, also die Jahre 1957-1960, in denen sie einen schweren Autounfall überlebt, mit dessen Folgen sie lange zu kämpfen hat. Außerdem findet die Hochzeit mit ihrem ersten Mann Guy Schoeller und die Trennung von eben diesem statt. Der letzte Teil trägt den Titel „Bewegte Zeiten“ und bespricht das Jahr 1960 und Sagans Umgang mit einer Beziehung zu einer Frau und ihre Positionierung zur Unabhängigkeit Algeriens. Die letzten drei Seiten behandeln in aller Kürze Sagans restliches Leben.

Zwar wirkt die Recherche Korbiks auf den ersten Blick gut, Geschriebenes wird mit Zitaten Sagans unterstützt und Quellen werden angegeben, doch ist gleich im ersten Teil eine Unstimmigkeit zu finden. Korbik schreibt, Françoise habe nicht unter ihrem eigentlichen Nachnamen Quoirez veröffentlichen dürfen, da ihr Verleger René Julliard empfand, der Name Quoirez habe nicht den richtigen Klang für eine Schriftstellerin. Allerdings ist die Begründung für den geänderten Nachnamen in allen anderen auffindbaren Quellen, wie dem Nachwort von Sibylle Berg zum Roman Bonjour tristesse oder der Filmbiografie Bonjour Sagan zu entnehmen, dass dies auf Wunsch der Eltern geschah. In Bonjour Liberté wird sogar suggeriert, dass die Eltern sich darauf freuten, ihren Familiennamen auf einem Buchcover zu sehen. Es ist fraglich, ob die Aussagen von Sagans Sohn Westhoff Glauben zu schenken sind, dessen Buch Sagan et fils die Quelle Korbiks darstellt. 

Wer sich bei der Lektüre von Bonjour Liberté die inspirierende Geschichte einer jungen Frau erhofft, die sich in den 1950er Jahren ihre Freiheit erkämpft, der wird enttäuscht werden. Auch mit klaren feministischen Positionen Sagans darf nicht gerechnet werden, da Sagan solche nie artikulierte. Trotzdem ist die Lektüre empfehlenswert, wenn man sich für die Gesellschaft und Politik der 1950er Jahre in Frankreich interessiert und Lust darauf hat, den komplexen Charakter der Françoise Sagan kennenzulernen und sie ein Stück auf ihrem spannenden Weg mit all seinen Höhen und Tiefen zu begleiten.

Titelbild

Julia Korbik: Bonjour Liberté. Françoise Sagan und der Aufbruch in die Freiheit.
Hanser Berlin, Berlin 2021.
304 Seiten, 20,00 EUR.
ISBN-13: 9783446269446

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