Worte und Taten

Ein Hörbuch lässt den Kampf ums Frauenwahlrecht lebendig werden

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im November dieses Jahres jährt sich das Frauenwahlrecht zum hundertsten Mal. Nun wird das Jubiläum von offiziellen Stellen zwar nicht einmal annähernd angemessen gewürdigt, doch immerhin werden in etlichen Städten Lesungen und Informationsveranstaltungen organisiert, das Historische Museum in Frankfurt hat eine Ausstellung auf die Beine gestellt und es ist die eine oder andere Publikation zum Thema auf den Markt gekommen. Außerdem hat der LOhrBär-Verlag ein Hörbuch mit Auszügen zeitgenössischer Texte von Frauenrechtlerinnen, bekannten AutorInnen und einem bekennenden Maskulinisten herausgebracht. Bei letzterem handelt es sich um Ludwig Langemann (gesprochen von Martin Hofer), dem mit der Nennung seines Namens eigentlich schon zu viel der Ehre widerfährt, ging er doch als Gründer und Vorsitzender des famosen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation in die Annalen der Herrenrechtler ein.

Zusammengestellt wurden knapp dreißig Auszüge aus Streitschriften, Pamphleten, Zeitschriftenbeiträgen und Buchpublikationen, aber auch aus Briefen, Tagebüchern und Erinnerungen. Hinzu kommt die erste Rede, die in einem deutschen Nationalparlament von einer Frau zu hören war. Sie wurde am 19. Januar 1919 von Marie Juchacz gehalten (gesprochen von Bettina Schöneberg). Musikalisch umrahmt werden die Beiträge von dem Saxophon Gabriele Wahlbrinks.

Die ausdrucksstark gelesenen Texte sind chronologisch angeordnet und in die vier Rubriken „Vorgeschichte“, „Der Wahlkampf“, „Der Wahltag“ und „Ausblick“ untergliedert. Den Anfang macht die Schriftstellerin Fanny Lewald (gesprochen von Kira Bohn), die sogleich zeigt, dass nicht nur die für ihre Scharfzüngig berühmte Hedwig Dohm (gesprochen von Eva Sixt) rhetorisch brillieren konnte.

Ihr folgt eine Reihe von Frauenrechtlerinnen, die auf vielfältige Weise begründen, warum Frauen selbstverständlich das Wahlrecht zusteht, und Erfolg versprechende Vorgehensweisen zu dessen Erlangung vorschlagen und kontrovers diskutieren. Gemäßigte Frauenrechtlerinnen wie Gertrud Bäumer (gesprochen von Heike Ternes) und Helene Lange (gesprochen von Gunna Wendt) kommen zu Wort, radikale wie Lida Gustava Heymann (gesprochen von Sofia Mindel) und Minna Cauer (gesprochen von Eva Demski) sowie eher konservative Frauen wie Ina Seidel (gelesen von Angelika Wende). Manche von ihnen sind weniger bekannt. So etwa Constanze Hallgarten (gesprochen von Christin Alexandrow), die nach der Erlangung des Frauenwahlrechtes feststellen musste, dass ihr Mann, ganz im Gegensatz zu ihr, überhaupt nicht damit einverstanden war, dass Frauen nun ebenfalls wählen durften. Sie trat 1919 dem Münchner Bund sozialistischer Frauen bei, wohingegen sich Minna Cauer der Deutschen Demokratischen Partei anschloss, um „dem Bürgertum nach links hin zu helfen“. Insgesamt aber „verhielt sich die Frauenbewegung ihrem Programm gemäß parteipolitisch durchaus neutral“, stellt Marie Bernays (gesprochen von Eva Ambrosius) fest.

Sie alle verdienen gehört zu werden, mögen sie auch verschiedene Strategien zur Erlangung des Frauenwahlrechtes bevorzugt haben und in unterschiedliche Parteien eingetreten sein. Dass einmal etwas negativ aufstößt wie etwa das Lob des „Mutterinstinktes“ von Helene Lange gehört natürlich dazu. Anderes wirkt erstaunlich heutig. Und das betrifft nicht nur manche Argumente für das Frauenwahlrecht. Fanny Lewald kritisierte die „Kollektivbegriffe“ Frau und Mann beispielsweise bereits Mitte des 19. Jahrhunderts.

Die Texte werfen nicht zuletzt ein helles Schlaglicht auf den kurzen Zeitraum zwischen der Erlangung des Frauenwahlrechtes und der ersten Wahl, an der Frauen teilnehmen durften. Es waren dies sechs durch den Wahlkampf geprägte Wochen um den Jahreswechsel von 1918 auf 1919. Interessanterweise sprach Marianne Weber (gelesen von Monika Manz) schon damals davon, dass den Frauen ihr Wahlrecht „in den Schoß“ gefallen sei, was durchaus unzutreffend ist, wie jüngere Forschungen zeigen.

Neben den Frauen kommen auch einige Männer zu Wort. Der unsägliche Herr Langemann wurde bereits erwähnt. Er verteufelte das Frauenstimmrecht als „Blüte des radikalen Demokratismus“ und erwartete mit Blick auf den Ersten Weltkrieg, dass sich die Frauenrechtlerinnen „angesichts dieser gewaltigen Entladung männlicher Energie respektvoll zurückziehen“ und endlich „ihre Frauenpflichten erfüllen“.

Für Harry Graf Kessler (gesprochen von Kai Raecke) war die Teilnahme der Frauen an der Wahl zur Nationalversammlung so unspektakulär „wie ein Landregen“. Ähnlich nahm es Oskar Münsterberg (gesprochen von Ole Bosse) wahr. Für die Frauen selbst war der Wahltag hingegen von gar nicht hoch genug zu schätzender Bedeutung. Viele von ihnen dürften sich wie Käthe Kollwitz (gesprochenn von Doris Dobiel) „sehr auf diesen Tag gefreut“ haben.

„Die Frauen sind in den Parteien aufgegangen“, stellte Gertrud Bäumer nach der Wahl fest. Das sei zwar „notwendig, ja unerlässlich gewesen“. Dennoch gebe es eine „Einheit der Fraueninteressen, die größer ist als die Parteizugehörigkeit“. Und wie Maria Bernays konstatierte, haben „viele Frauen erfahren, dass der Kampf um die Frauenrechte auch innerhalb der Partei weiter geführt werden muss“. Das trifft auch heute noch zu. Und sicher muss er außerhalb der Parteien – und außerhalb der Parlamente – nicht weniger intensiv geführt werden.

Titelbild

Angela Kreuz / Dieter Lohr (Hg.): Frauen. Wahl. Recht. Der 19. Januar 1919.
Texte von Fanny Lewald, Hedwig Dohm, Constanze Hallgarten, Helene Lange, Ina Seidel, Marianne Weber, Thomas Mann u.a.
LOhrBär-Verlag, Regensburg 2018.
1 CD, Laufzeit: 79 Minuten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783939529187

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