Ein autobiographischer „Selbstversuch“ des Literatur- und Kulturwissenschaftlers Gerhard Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Vor einem Jahr, wenige Tage vor seinem Tod Ende Dezember 2017, konnte der Literatur- und Kulturwissenschaftler Gerhard Neumann seinen jetzt veröffentlichten Selbstversuch abschließen: eine Autobiographie, die den Anfang seines Lebens mit dem Ende zusammenschließt.

„Schwarmstruktur“ nennt Neumann das an musikalische Gepflogenheiten erinnernde Verfahren seines Versuchs. Immer wieder werden Themen und Ereignisse erneut aufgegriffen, in andere Zusammenhänge gestellt und damit innovativ variiert: Flucht und Erinnerung, Arten und Funktionen metaphorischer Ausdruckweisen, Kultur oder Ritual in der Theorie und Lebenswirklichkeit.

Ein Schlüsselereignis in Neumanns Selbstversuch ist die Kränkung, die dem jungen Literaturwissenschaftler ein bedeutender Dichter zufügte, den er schätzte und von dem er geschätzt wurde: Paul Celan. Neumann wurde als Fahrer des Autos, mit dem er 1967 den jüdischen Dichter, dessen Eltern von den Nationalsozialisten ermordert worden waren, und Martin Heidegger, von 1933 bis 1945 Mitglied der NSDAP, gemeinsam nach Todtnauberg brachte, „stummer Zeuge“ ihrer legendären Begegnung. Die spätere Kränkung wenige Wochen vor Celans Tod im Frühjahr 1970 führte dazu, dass Neumann fünfzig Jahre lang darüber geschwiegen hat …

Anmerkung der Redaktion: literaturkritik.de rezensiert nicht die Bücher von Autoren, die Beiträge in unserer Zeitschrift veröffentlicht haben. Deren Publikationen können hier jedoch gesondert vorgestellt werden.

Titelbild

Gerhard Neumann: Selbstversuch.
Rombach Verlag, Freiburg 2018.
385 Seiten, 58,00 EUR.
ISBN-13: 9783793099017

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