Gier und Habsucht als fundamentale Triebfedern des Menschen
Ingrid Noll schickt eine alternativ-gutgläubige Studentenclique auf unterhaltsame Weise in die Abgründe des menschlichen Verhaltens
Von Barbara Tumfart
Ingrid Noll, die subtil-ironische deutsche Lady of Crime, beglückt seit vielen Jahren im gleichbleibenden Rhythmus von zwei Jahren ihre große Leser- und Fangemeinde mit einem neuen Buch. Denn die mittlerweile 83-jährige Autorin ist eine unverändert aktive Geschichten(er)finderin. Während sonst oft kriminelle Aktivitäten der Mittelpunkt ihrer Erzählungen sind, ist ihr aktuelles Buch Goldschatz vor allem eine gesellschaftskritische Abrechnung mit den gutbürgerlichen Normen und Werten und ein tiefgründiges Psychogramm über die Fallstricke negativer Gruppendynamik.
In dem 15. Noll-Roman geht es um eine anfangs hoch ambitionierte Studentenclique, die beschließt, eine ökologisch korrekte und an alternativen und umweltfreundlichen Werten ausgerichtete Wohngemeinschaft zu gründen. Die Ich-Erzählerin Beatrix, kurz Trixi genannt, bekommt von ihren Eltern das alte und ziemlich heruntergekommene Haus ihrer verstorbenen Großmutter zur Verfügung gestellt. Gemeinsam mit ihrem Freund und Lover, dem Ökopionier Henry, ihrer Freundin Saskia und zwei weiteren Studienkollegen zieht sie in das vermeintlich idyllische Landhaus. Doch die Idylle währt nicht lange. Das Gebäude erweist sich als ausgesprochen baufällig und die jungen Idealisten sehen sich bald mit einer Vielzahl an arbeits- und kostenintensiven Reparaturmaßnahmen konfrontiert. Hinzu kommt der schrullig-kauzige alte Nachbar Gerald Gläser, der zu mitunter höchst ungewöhnlichen Zeiten und ungebeten bei den jungen Leuten auftaucht. Trotz seines eher verwahrlosten Auftretens und seinem heruntergekommenen Haus lässt er sich aber allwöchentlich von einem Chauffeur zum Einkaufen kutschieren.
Beim Entrümpeln des alten Gemäuers stoßen Trixi und ihre Freundin Saskia auf einen alten verrosteten Krug, in dem sich mehrere Goldmünzen aus der Zeit des Weltkrieges befinden. Flugs werden diese bei einem Münzkundigen in bares Geld eingetauscht. Das kleine Vermögen ist allerdings rasch für die Fensterrenovierung und eine eigentlich unnötige Auffrischung der Garderobe der beiden jungen Damen aufgebraucht. Kurze Zeit später stoßen sie beim Umgraben im Garten auf menschliche Überreste und sind überzeugt, dass dieses, offenbar lang zurückliegende Gewaltverbrechen, sie zu einem noch viel größeren Goldschatz im Haus des eigenbrötlerischen Nachbarn führen könnte.
Ähnlich wie in ihren bisherigen Romanen spinnt die deutsche Erfolgsautorin die Handlung rund um eine (vermeintlich) mörderische Tat. Sie deckt in dieser gewohnt unterhaltsamen Gesellschaftsstudie die sich nach dem Fund der Münzen rasch entwickelnde negative Dynamik zwischen den Figuren auf, die die bis dato gut funktionierende und harmonische Gruppe auf unwiederbringliche Weise spaltet. Die gut gemeinte und ambitionierte Idee der Wohnungsgemeinschaft und eines Lebens in Frieden und Einklang mit der Natur und untereinander zerplatzt am Ende wie eine Seifenblase, da Neid, Intrigen und Eifersucht die Oberhand gewinnen.
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