Reise nach Fantasien

Der „Atlas literarischer Orte – Von Wunderland bis Mittelerde“ entführt die Leser zu den interessantesten fantastischen Schauplätzen

Von Elisabeth BökerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Elisabeth Böker

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nach Mittelerde reisen? In der Villa Kunterbunt toben? Den Asteroid B 612 erobern? Wer hat beim Lesen von Der Hobbit, Pippi Langstrumpf oder Der kleine Prinz nicht davon geträumt, in diese Welten tatsächlich abzutauchen? Dank dem Atlas literarischer Orte von Cris F. Oliver ist dies jetzt möglich. Die spanische Autorin entführt ihre Leser an 30 Orte aus der fantastischen Literatur.

Das hochwertig ausgestattete Buch richtet sich an Leser, die mehr über die fantastischen Romane erfahren wollen und vor allem beim Lesen und Betrachten des Atlasses die Erinnerungen an die Lektüre wieder aufleben lassen möchten. Das wird bereits deutlich, wenn man sich den Aufbau des Buches betrachtet: Oliver widmet jedem der ausgewählten Romane zwei Doppelseiten, deren Gliederung stark an die Aufmachung eines Reiseführers erinnert.

Die jeweils erste Seite ist eine lebendige Einführung in den Roman, die jedem – ob Kenner des Werks oder Neuling – die Thematik so präsentiert, dass entweder die Erinnerungen an die Lektüre geweckt werden oder aber man den Inhalt verständlich zusammengefasst bekommt.

Auf der gegenüberliegenden Seite ist eine von dem spanischen Künstler Julio Fuentes entworfene Landkarte der fiktiven Welt zu sehen, weswegen das Buch auch als Atlas betitelt ist. In blau, rot, weiß gehalten und im Siebdruckverfahren hergestellt, zeigen diese Grafiken die Landschaften und bieten Orientierung für den Reisenden. Bei Pippi Langstrumpf ist es beispielsweise die Frontalansicht eines offenen Hauses – der Villa Kunterbunt, die, so die Angabe, in einer kleinen schwedischen Stadt liegt. Der Betrachter bekommt Einblick in die verschiedenen Zimmer – Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer und Bodenkammer – und sieht Pippi schlafend sowie mit Herrn Nilsson in der Küche spielend. Kleiner Onkel auf der Veranda fehlt natürlich auch nicht. Die Detailtreue der Grafiken zu den Beschreibungen im Buch ist beachtenswert.

Die zweite Doppelseite widmet sich den praktischen Informationen: Angaben zur Anreise zum Ort oder notwendiges Wissen zur Erkundung werden hier gegeben. Natürlich liefert Cris F. Oliver – wie in jedem guten und detaillierten Reiseführer üblich – Extrahinweise. Meist ist die Rubrik mit „Schon gewusst“ betitelt und gibt Hintergrundwissen über den Roman preis. Aber auch Köstlichkeiten, die man unbedingt probieren sollte (zu Charlie und die Schokoladenfabrik von Roald Dahl) oder eine Packliste (für Die Reise zum Mittelpunkt der Erde von Jules Vernes) werden verraten.

Bemerkenswert ist die Bandbreite der Auswahl. Die 30 Romane sind international bekannt. Sie stammen ursprünglich aus vielen verschiedenen Ländern, wobei ein Fokus auf westlicher Literatur liegt. Alte Klassiker – Alice im Wunderland, Der Zauberer von Oz, Gullivers Reisen,  Sherlock Holmes oder Verstand und Gefühl – als auch gefeierte neueste Romane, übrigens überwiegend All-Age-Romane – Harry Potter, Games of Thrones, Margos Spuren oder Twilight – sind vertreten.

Ein trockenes Sachbuch ist dieser Atlas in keiner Weise. Dem jeweiligen vorgestellten Roman angepasst schreibt Oliver ansprechende und die Neugierde weckende Texte, bei dem sie den Reisenden stets direkt adressiert. So beginnt der Abschnitt zu Tintenherz von Cornelia Funke mit den Sätzen: „Du träumst davon, dass die Protagonisten deiner Lieblingsgeschichte zum Leben erwachen? Lass es bleiben! Das Erscheinen literarischer Figuren in unserer Welt hat zu einem der größten diplomatischen Konflikten aller Zeiten geführt.“ Die Texte zeugen davon, dass Cris F. Oliver eine wahre Liebhaberin der Materie und dieser Atlas ein wahres Herzensprojekt von ihr ist.

Titelbild

Cris F. Oliver: Atlas literarischer Orte. Von Wunderland bis Mittelerde.
Knesebeck Verlag, München 2019.
128 Seiten, 16,00 EUR.
ISBN-13: 9783957282569

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