Von der Einfachheit komplexer Bilder
Susanne Partsch bringt mit „Schau mir in die Augen, Dürer“ dem Leser das Faszinosum der Alten Meister auf unterhaltsamste Weise näher
Von Justus Makollus
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseEs gibt moderne Erklärwerke, die man sich als Leser bereits für die eigene Schul- oder Hochschulzeit gewünscht hätte. Nach deren Lektüre man das Gefühl bekommt, dass es solcher Bücher bereits viel früher bedurft hätte, um das eigene Wissen zu erweitern respektive das Nicht-Wissen zu bekämpfen. Schau mir in die Augen, Dürer von Susanna Partsch ist ein solches Buch. Seit vielen Jahren widmet sich die Kunsthistorikerin der Aufgabe, komplexe Zusammenhänge des Kunstbetriebs für ein vor allem junges Publikum anschaulich und in leichter Sprache verständlich zu machen.
Das Verdienst der bereits 1998 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichneten Autorin liegt darin, den Themenschwerpunkt Alte Meister in die Moderne zu transferieren und so dem Publikum einen Zugang zu schaffen zu einem Sujet, dass gerade einer auf Geschwindigkeit und kurzer ästhetischer Erfahrung ausgerichteten Generation Bauchschmerzen bereiten dürfte. Denn um die Alten Meister zu verstehen, bedarf es verschiedener Grundvoraussetzungen: natürlich Interesse und ein wenig Vorwissen, vor allem aber Zeit. Zeit, um sich der hohen Komplexität der Kompositionen, der Bildsprache, der Arrangements von Farbe, Licht und Personal zu widmen und Fragen zu formulieren, die dem Geheimnis der Bilder auf den Grund gehen.
In Ihrem Vorwort gibt Partsch Einblick in die Methodik der Entstehung des Buches:
Damals keimte die Idee, ein Buch zu schreiben, in dem es um rätselhafte Bilder geht, die sich heute in Museen befinden. […] Doch welche Fragen stellen Besucher, die ohne kunsthistorisches Vorwissen in ein Museum gehen, in dem Werke aus früheren Jahrhunderten ausgestellt sind? Um das herauszufinden, schrieb ich an Freunde und Bekannte und bat sie, mir genau dies zu sagen.
Diese Fragen sind es, die den Grundstock des Buches ausmachen. Sie stehen im Mittelpunkt, während die Bilder zu ihrer Klärung herangezogen werden. So wird die Metaebene des Kunstbetriebs ebenso berührt (etwa „Seit wann gibt es eigentlich Museen?“; „Woher kommt der Begriff Alte Meister?“.) wie Detailfragen geklärt, die die Objekte selbst betreffen („Haben auf alten Bildern alle Gegenstände eine Bedeutung?“; „Warum sind auf alten Bildern viele Frauen so dick?“ und dergleichen mehr.).
Mit großer Kenntnis und reduziert auf das Wesentliche widmet sich Partsch den Erklärungen und entdämonisiert dadurch auf unterhaltsame und anschauliche Weise das Thema Alte Meister. Nicht aber ohne den großen Respekt vor den Fertigkeiten der Maler zu verlieren. Ganz im Gegenteil: Peter Paul Rubens, Albrecht Dürer und Rembrandt werden zu Begleitern des Lesers durch diesen Band, der sich dem Aufbau einer Malerwerkstatt ebenso widmet wie den Fragen nach der Ausbildung, dem Ansehen und der Konkurrenz der Künstler untereinander. So entwickelt sich Kapitel für Kapitel ein rundes Gesamtbild, das dem Betrachter der Zeugnisse vergangener Zeit Lust macht, das nächste verregnete Wochenende in einer Galerie oder einem Museum zu verbringen.
Schau mir in die Augen, Dürer ist für junge und reifere Kunstinteressenten gleichermaßen empfehlenswert, da es völlig unprätentiös daherkommt, den Leser nicht bevormundet, sondern ihm die Angst vor komplexen Zusammenhängen zu nehmen in der Lage ist und so eine erfrischende Ausnahme in einem Genre darstellt, das den Ruf besitzt, unzugänglich und elitär zu sein.
|
||