Von den Herausforderungen, ein Familienoberhaupt zu bestatten

Meja Mwangis Roman „Kasim, der Komiker“ erzählt mit Witz und Sympathie von einer Beerdigung in Kenia

Von Julia AugartRSS-Newsfeed neuer Artikel von Julia Augart

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Kasim ist ein mittelmäßiger bis schlechter Stand-Up Comedian, der in Bars und Clubs in Nairobis River Road und anderen eher heruntergekommenen Gegenden seinen Lebensunterhalt verdient. Weder bringt er sein Publikum zum Lachen noch wird er von den Clubbesitzern geschätzt. Oft wird er sogar frühzeitig von der Bühne geholt, da seine Witze über verschiedene Ethnien Kenias, korrupte Politiker oder gierige Polizisten nicht immer witzig sind.

Damit provozierte er ein Publikum, das ihn seit seiner Premiere hier im Club nicht leiden mochte, weil er, nach Ansicht der Gäste, für Dinge wie Rang, Klasse, Amt, Hautfarbe, Herkunft oder Geschlecht weder Sinn hatte noch Respekt hegte und obendrein jegliches Gespür für Komik vermissen ließ.

Als Caesar, das Familienoberhaupt des King’oo Clans, stirbt, kommt Kasim mit den anderen Familienangehörigen zur abendlichen Harambee zusammen, um die Beerdigung zu organisieren und Geld für diese aufzutreiben. Caesar war nicht nur das Familienoberhaupt, sondern auch Regierungsbeamter und ein wohltätiger Mann. Er kümmerte sich um elternlose Kinder und setzte sich für viele ein, um ihnen den Schulbesuch und eine Ausbildung zu ermöglichen. Als die Familie von Tante Charitys Versprechen erfährt, dass der alte Mann – wie zu Zeiten als Beamter – in einem Mercedes zu seiner Beerdigung gefahren werden möchte, ist es Kasim, der sich mit seinem Cousin Salim nicht nur nach einem Leichenwagen umschaut, sondern sich auch auf die Suche nach einem Mercedes macht. Salim, ein Anwalt, der seit der Pandemie selbst finanzielle Schwierigkeiten hat und dessen Mercedes gerade gepfändet wurde, ist wenig begeistert von der Aufgabe und auch Kasims Witze und Vorgehensweise lassen ihn verzweifeln. Über eine Woche versuchen die beiden Männer nicht nur bei reichen Verwandten, sondern auch bei zwielichtigen Händlern oder Geschäftspartnern Geld beziehungsweise den passenden Wagen zu finden. Abends treffen sie den Familienrat im Haus des Onkels, bei Muthokoi, einem traditionellen Kamba-Gericht, und berichten, wie weit ihre Vorbereitungen sind und besprechen das weitere Vorgehen. Die Versammlungen organisiert inzwischen Tante Eva, eine der Töchter von Caesar, die aus den USA angereist ist. Von jeher war Eva gefürchtet und auch jetzt dominiert sie die Familie, bestimmt das Vorgehen und setzt alle in den Vorbereitungen der Beerdigung unter Druck.

Die Männer vergruben den Kopf in den Händen, seufzten, stöhnten und ächzten, verzweifelt. Bevor Eva hier aufgetaucht war und Sams Rolle an sich gerissen hatte, spendete jeder nach besten Kräften. Der Clan verstand das und war dankbar dafür. Sich vorschreiben zu lassen, was oder wie viel man zu spenden hatte, war nicht Brauch bei den King’oo. Evas Verwandte mütterlicherseits mochten das so handhaben. Sie hier aber nicht. Nicht bei Caesars Beerdigung. Caesar war ein vernünftiger Mann. Ein fähiger Mann. Ein gebildeter Mann. Ein King’oo, durch und durch. Caesar war ein Mann unter Männern. Caeser hätte ihnen das nie abverlangt. Caeser hätte sich selbst beerdigt.

Mwangis Komödie um den Komiker Kasim erzählt in leichter und unterhaltsamer Art und mit liebevollem Humor Ausschnitte aus der Familiengeschichte um Caesar, und stellt verschiedene Familienmitglieder, ihre Eigenschaften, ihre Werdegänge und ihre Schicksale vor. Der Roman bildet aber auch Traditionen, Rollenverteilungen und Machtkämpfe ab, die in der Familie und in den abendlichen Treffen ausgetragen werden – der Zusammenhalt in der Familie funktioniert nicht immer.

Mwangi schildert aber auch Kasims täglichen Kampf als Komiker und die unterschiedlichen Menschen, denen er in den Clubs der Stadt wie auch auf seiner Suche nach dem Mercedes begegnet. Der Autor ermöglicht damit, wie oft in seinen Romanen, Einblicke in Kenias gesellschaftliche Probleme und erzählt die Geschichten der Menschen, die gerade so über die Runden kommen, und oft mit fragwürdigen oder nicht ganz legalen Mitteln um ihr Überleben kämpfen. So zum Beispiel die Jua Kali-Arbeiter in den Autowerkstätten und Schrottplätzen, und auch die Wachmänner und Prostituierten, die sich trotzdem zuhelfen wissen und einfach weitermachen. So wie Kasim, der zwar als Komiker immer wieder durchfällt, aber stets gut gelaunt auf sein Gegenüber zugeht, ins Gespräch kommt und für jeden, mit dem er spricht, einen Witz hat.

Salim war versucht, Kasim zu fragen, wo er sein unbeschwertes, unschuldiges Lächeln aufgegabelt und wie er gelernt hatte, der zu sein, der er jetzt war. […] Wie und wo auch immer Kasim sie sich angeeignet hatte, er war ein besonderer Mann, sein eigener Mann.  

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Meja Mwangi: Kasim, der Komiker. Roman.
Aus dem Englischen von Jutta Himmelreich.
Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2023.
420 Seiten, 30 EUR.
ISBN-13: 9783779507024

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