"Europas islamische Macht"

Manuela A. Williams untersucht Mussolinis Strategien der Subversion in Nordafrika und Nahost

Von Goetz NordbruchRSS-Newsfeed neuer Artikel von Goetz Nordbruch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die italienischen Konsulate wendeten sich mit einer aufwändig gestalteten Broschüre an die arabische Bevölkerung. "Was Italien für den Islam in Afrika tut" lautete der Titel eines mit zahlreichen Fotos bebilderten Heftes, das im Sommer 1936 in den Ländern des südlichen und östlichen Mittelmeers verbreitet wurde. Die Bilder, die in Libyen aufgenommen wurden, sollten die zufriedene und bereitwillige Unterwerfung der Einheimischen unter die kolonialen Herrscher dokumentieren.

Mit dem Ruf des faschistischen Italiens stand es nicht zum Besten. Die italienischen Massaker an Tausenden libyschen Zivilisten und die Hinrichtung von Umar al-Mukhtar, dem langjährigen Anführer des Widerstands gegen eine italienische Besiedelung, hatten in arabischen Ländern im Herbst 1931 scharfe Proteste ausgelöst. Der italienische Angriff auf Abessinien im Oktober 1935 und dessen anschließende Annexion taten ein Weiteres, um die Kritik an Italien und Ministerpräsident Benito Mussolini zu verschärfen.

Die massive Ablehnung Italiens in der arabischen und islamischen Bevölkerung stellte die italienischen Ambitionen in der Region auf die Probe. Mit seiner Offensive gegen Abessinien war Mussolini letzten Zweifeln über seine Pläne einer Wiedererrichtung des antiken römischen Reiches entgegengetreten. Ähnlich wie Frankreich und Großbritannien sah sich Italien als Kolonialmacht, deren Anspruch auf das Mittelmeer und Ostafrika nicht nur legitim, sondern vor allem auch überfällig war. Mussolini präsentierte sich als Beschützer des Islams: Italien sei 'Europas islamische Macht'.

Die Historikerin Manuela A. Williams hat die Propaganda-Strategien untersucht, mit denen das faschistische Italien diesen Anspruch in den Jahren unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg im Mittelmeerraum durchzusetzen suchte. Im Widerstreit mit Großbritannien und Frankreich, aber teilweise auch mit Deutschland entwickelte Italien innerhalb kürzester Zeit einen Propagandaapparat, der zu einem wichtigen Standbein italienischer Außenpolitik avancierte. Im Jahr 1934/1935, so schätzten britische Stellen, flossen insgesamt 3% der Ausgaben der italienischen Regierung in die Programme, die der Außendarstellung Italiens und der Bewahrung der italianità im Ausland gewidmet waren.

Die Schaffung eines Ministeriums für Presse und Propaganda im Jahr 1935 unterstrich diese Bedeutung. Neben der Finanzierung von Zeitungen, Rundfunk und Kino zählte auch die Förderung von Tourismus, von Krankenhäusern und vor allem von italienischen Schulen im Ausland zu den Elementen einer Politik, die die Ausweitung des ökonomischen und militärischen Einflusses vorbereiten sollte. Die zunehmenden Probleme, mit denen sich das britische Empire gerade auch in seinen arabischen und islamischen Regionen konfrontiert sah, bildeten den Hintergrund für eine propagandistische Offensive, die bereits in Friedenszeiten die italienische Rolle zu stärken versuchte. Mit überraschendem, wenngleich nur vorübergehenden, Erfolg.

Die Politik Mussolinis in Bezug auf Palästina und Ägypten und die italienischen Bemühungen um eine Intensivierung der Beziehungen zu Saudi-Arabien stehen im Zentrum von Williams' Arbeit. Anhand dieser Beispiele beschreibt sie das Zusammenwirken von italienischer Propaganda, britischer Machtpolitik und einheimischen Reaktionen. Der Beginn des palästinensischen Aufstandes 1936 und die zunehmenden Spannungen in Ägypten boten Ansatzpunkte für gezielte italienische Interventionen. Mit der Besetzung Abessiniens brachte sich Italien schließlich auch im Falle Saudi-Arabiens als potentieller Partner ins Gespräch.

Interessant ist Williams' Studie vor allem, weil sie das Zusammenwirken dieser Faktoren in den Mittelpunkt rückt, um die Entwicklung der italienischen Politik gegenüber der Region nachzuzeichnen. Der Rolle Shakib Arslans, der mit seiner in Genf erscheinenden Zeitschrift "La Nation Arabe" als Sprachrohr der arabisch-islamischen Interessen in Europa auftrat, kommt dabei eine ebenso große Bedeutung zu wie dem palästinensischen Mufti Amin al-Husaini, der sich, wie Arslan, immer bereitwilliger in den Dienst der italienischen Politik stellte.

Während diese Beziehungen, die einzelne arabische Persönlichkeiten zu Italien unterhielten, bereits in früheren Studien untersucht wurden, bietet Williams vor allem auch in Bezug auf die britischen Reaktionen aufschlussreiche Details, die den relativen Erfolg Italiens erst verständlich machen. Zu diesen Details zählt die deutliche Verzögerung, mit der von britischer Seite auf die massive italienische Propaganda reagiert wurde. Während sich der italienische Sender Radio Bari bereits 1934 mit arabischen Programmen an breitere Bevölkerungsschichten wendete und dabei auch auf gezielte Manipulationen setzte, begann die britische BBC erst vier Jahre später diese Kampagnen mit arabischen Programmen zu erwidern. Ähnlich verspätet zeigte sich die britische Politik auch in Bezug auf die Aufklärung ausländischer Aktivitäten im britischen Empire. Während die britischen Geheimdienste ein umfangreiches Informantennetz unterhielten, welches sich auf die Beobachtung einheimischer Oppositioneller konzentrierte, agierten italienische und deutsche Agenten noch 1937 nahezu ungehindert in den Zentren des britischen Einflussgebietes.

Williams führt verschiedene Ursachen an, die diese unterschiedlichen Strategien nachvollziehbar machen. So weigerte sich die britische Regierung noch Ende der 1930er, in Friedenszeiten zur Waffe der Propaganda zurückzugreifen. Zwar galten Institutionen wie die BBC oder der British Council als wesentlicher Teil der äußeren Kulturpolitik; diese hätten sich aber aus "moralischen und finanziellen" Gründen, wie Williams schreibt, einer Manipulation von Nachrichten und Informationen enthalten.

Eine weitere Ursache, die für die Stärke der italienischen Strategie in jenen Jahren vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges verantwortlich war, wird von Williams nur angedeutet. Ein wesentlicher Bestandteil der italienischen Kulturpolitik bestand in der Einrichtung von italienischen Schulen, die sich auch an einheimische Kinder richteten. Ebenso wie die zahlreichen organisierten Fahrten in faschistische Camps in Italien verstanden sich diese Schulen ausdrücklich auch als massenwirksames Mittel zur Stärkung des italienischen Einflusses. Britische Schulen hingegen standen, mit wenigen Ausnahmen, allein britischen Subjekten offen. Statt das britische Prestige in der Bevölkerung beispielsweise in Ägypten zu fördern, symbolisierten diese Einrichtungen so die Grenzen des Fortschritts, der von der britischen Kolonialpolitik zu erwarten war. Es liegt nahe, dass es sich hierbei nicht allein um einen strategischen Fehler der britischen Kolonialpolitik handelte, sondern um den Ausdruck eines grundsätzlich unterschiedlichen Verständnisses des Verhältnisses von Metropole und Peripherie.

Gerade solche Zusammenhänge, an denen die Unterschiede der kolonialen Selbstverständnisse Italiens und Großbritanniens gegenüber der kolonisierten Bevölkerung sichtbar werden würden, werden in der Studie leider nur angerissen. So wäre es auch interessant gewesen, die arabischen Reaktionen auf diese unterschiedlichen Herangehensweisen genauer zu untersuchen. Während die italienische und britische Perspektive von Williams umfangreich mit Primärquellen dokumentiert ist, fehlen entsprechende Quellen, die Aufschluss über die einheimische Perspektive geben, fast völlig. Insofern bietet die Arbeit einen detaillierten Einblick in die konkurrierenden Strategien und Interessen, die von den beiden europäischen Kolonialmächten gegenüber der Region verfolgt wurden. Die jeweiligen Motive der einheimischen Bevölkerung, sich der einen oder anderen Seite zuzuwenden, werden aber nur im Ansatz fassbar.


Titelbild

Manuela A. Williams: Mussolini's Propaganda Abroad. Subversion in the Mediterranean and the Middle East, 1935-1940.
Routledge, London 2006.
238 Seiten, 99,99 EUR.
ISBN-10: 0415358566

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