Glaube und Morde

Friedrich Anis neuer Roman "Idylle der Hyänen"

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Liebenswerte Ticks haben diese Kriminalbeamte: Polonius Fischer fasst immer wieder seine Assistentin Liz bei der Hand; er hat ein eigenes Verhörzimmer, in dem ein Kruzifix hängt und in dem er statt Verhöre "Gespräche führt"; und dann hat er noch ein Ritual für seine Mannschaft eingeführt: Beim Mittagessen sitzen sie manchmal zusammen, essen, schweigen und lauschen einem Vorleser, ganz wie im Kloster. Fischer ist einmal Mönch gewesen, hat nach einer langen Glaubenskrise das Kloster wieder verlassen und ist zur Kriminalpolizei zurückgekehrt. Der Spitzname dieser seltsamen Truppe ist "Die zwölf Apostel".

Auch ihr neuer Fall hat etwas mit Religion zu tun, genauer: mit religiösem Wahn. Aber es geht nicht um den Islam und die Terroristen, sondern um das Christentum. Wie ein roter Faden ziehen sich Glauben und Nichtglauben durch den Krimi. Es beginnt damit, dass in einem Schrank eine weibliche Leiche entdeckt und Katinka, die Tochter dieser toten Frau, entführt wird. Auf der Suche nach dem Täter entdecken die "Apostel" einen zweiten Mord, an Ines, einer ehemaligen Nonne, deren Großmutter und Mutter schon Suizid begangen haben und die beim Sex darum gefleht hat, sie umzubringen.

"Ich glaube an den Himmel", sagt Fischer. "Aber die Idee von Himmel und Hölle kam mir immer merkwürdig und zu melodramatisch vor." Aber es zeigt sich dann doch, dass auch die Hölle existiert - hier auf Erden. Für die siebenjährige Katinka, die von ihrer Mutter immer wieder stunden- und tagelang in den Schrank gesperrt wird, wie für manche Menschen, die von ihren Lüsten und Trieben beherrscht werden. Auch für die Mörder, die beide nicht beweisen können, dass sie auf Verlangen oder aus Versehen getötet haben und die ihr Geständnis in langen Monologen von sich schleudern, in denen sie Jesus als Feigling beschimpfen und sich zu Richtern über die Welt aufschwingen.

Alle sind sie von der Religion geprägt. In vielen kleinen Alltäglichkeiten merkt Fischer die Auswirkungen seines Klosterlebens: "Polonius Fischer lehnte Eile ab, er schätzte Pünktlichkeit, etwas, das sein früheres Leben geprägt hatte, etwas, dem er sich nie beugen wollte und das ihn wie eine Heimsuchung verfolgte und ihn zwang, auch andere Leute unter diese ihn beherrschende Knute zu bringen; gleichwohl verlor er nie ein Wort über jemanden, der zu spät kam; vermutlich war er sogar neidisch." Ausgedehntes Schweigen bei den Verhör-Gesprächen lehnte er ab, das "hing mit dem Übermaß an Stillsein zusammen, in das er seine Demut vor Gott gebettet hatte und das ihm Jahr für Jahr schwerer gefallen war, vor allem da seine Demut auf unheimliche Weise an Leuchtkraft verlor und dieses Empfinden ihn wie eine Todsünde belastete." Bei einer Prügelei schreit die ehemalige Nonne Ines: "Du bist ein Toter! Du hast nicht mal einen Glauben, niemand hört dir zu, du bist aus dem Universum gefallen, und niemand vermisst dich!"

Eingebettet sind all diese religiösen Geschichten in einen stringent und aus verschiedenen Perspektiven erzählten Krimi von Friedrich Ani. Da geht es nicht nur um die Aufklärung des Falls, sondern auch um den Glauben, das Schweigen Gottes, die innere Stille. Und auch wenn Anis Stil manchmal etwas zu manieriert und selbstverliebt ist, ("die Arktis der Gespräche, die hinter ihm lagen" oder "Vor allem musste er sich vor diesem Mantel aus Mitleid hüten, den er manchmal [...] hervorkramte und der ihm schon während seiner Jahre in der Zelle niemals Linderung oder Geborgenheit verschaffte, sondern ihn mit Selbsthass erfüllt hatte"), auch wenn der religiöse Untergrund manchmal etwas zu penetrant betont wird: "Idylle der Hyänen" gibt einem zu denken, macht einige Gewissheiten unsicher und unterhält sehr intelligent und sehr spannend.


Titelbild

Friedrich Ani: Idylle der Hyänen. Roman.
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2006.
350 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3552053913

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch