Gute Portion Humor
Zu Briefeditionen von Tucholsky und Zuckmayer
Von Thomas Neumann
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDie beiden Bände mit Briefen von Kurt Tucholsky sind Bestandteil der umfassenden und oft gelobten Werkausgabe des Autors im Rowohlt Verlag. Der Einzelband mit Briefen von Carl Zuckmayer ist im Rahmen des Zuckmayer-Jahrbuchs erschienen. Beiden gemeinsam ist die typografisch angenehme Gestaltung und der hohe Grad an zeitgenössischen und zeitkritischen Informationen: bei Tucholsky vor der nationalsozialistischen Zeit, bei Zuckmayer beginnt der Briefwechsel mit Alexander Lernet-Holenia 1933.
Die Briefbände von Tucholsky umfassen die Jahre 1919 bis 1924 und 1928 bis 1932. Der erste Brief ist im Januar 1919 geschrieben. Ganz Deutschland steht noch unter dem Schock des verlorenen Weltkriegs und selbst der Alltag ist noch von den Folgen des Kriegs geprägt. Tucholsky wechselt Briefe mit seiner zweiten Frau Mary Gerold, aber es ist eine Distanz spürbar. Im Mai des darauffolgenden Jahres heiratet er Else Weil, die er in "Rheinsberg - ein Bilderbuch für Verliebte" als Claire Pimbusch verewigt hat. Die Briefe spiegeln seine persönliche Entwicklung und die Spannungen, denen er zwischen zwei Frauen ausgesetzt ist. Im Herbst 1920 begegnet er Mary Gerold wieder, das Verhältnis lebt neu auf. Die Briefe dokumentieren dies - und begleiten die Beziehung bis zur Heirat im August 1924. In den Zeitraum fällt Tucholskys Arbeit für die "Weltbühne", seine noch bis Anfang 1920 andauernde Tätigkeit für das "Ulk", der Eintritt in die USPD, die Schwierigkeiten des Inflationsjahres 1923, Die Arbeit für die "Vossische Zeitung" und sein Aufenthalt in Paris mit Unterstützung der "Weltbühne". Selten werden die zeitgenössischen Ereignisse und deren Reflexion in der Vita eines deutschen Intellektuellen so deutlich wie in dem Briefband, der das Jahr 1923 begleitet.
Diese gesellschaftspolitischen Reflexe in der privaten Korrespondenz werden aber noch deutlicher in dem Band, der die Jahre 1928 bis 1932 umfasst. In diesen Zeitraum fällt Tucholskys "Umzug" nach Schweden, Briefe mit Mary dominieren die Korrespondenz in weiten Teilen - die Trennung war 1928 -, hinzu kommen Briefe an Walter Mehring, Emil Ludwig und Emil Jannings, an Fallada, Kästner und Hermann Hesse. Ein wichtiger Bestandteil des Bands sind die Briefe an Carl von Ossietzky, der im Prozess um die "Weltbühne" Ende des Jahres 1931 zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Und dies sind die Teile der Briefbände, in denen man während der Lektüre schmerzlich die Gegenbriefe vermisst. So ist dies auch der eigentliche Kritikpunkt an der Ausgabe - sie versammelt nur die Briefe Tucholskys und lässt sich nicht auf die Briefwechsel ein. Aber das wäre ein ganz anderes Ausgabenkonzept gewesen.
Diesem Anspruch wird der "Briefband" mit den Zuckmayer-Briefen gerecht. Hier steht der Briefwechsel mit Alexander Lernet-Holenia im Mittelpunkt. Zusätzlich findet man sieben Aufsätze und Rezensionen zu Veröffentlichungen über "Zuckmayer" in dieser achten Folge des Zuckmayer-Jahrbuchs. Der Briefwechsel mit Lernet-Holenia ist dabei mit fast 200 Seiten der umfangreichste Beitrag. Ihm ist eine Einleitung voran gestellt, die auch die unangenehmen Seiten Alexander Lernet-Holenias nicht auslässt, manchmal etwas zu nett ist, aber im Ganzen das Verhältnis der beiden Protagonisten treffend charakterisiert.
Am bemerkenswertesten ist der Kommentar zur Lückenhaftigkeit des Briefwechsels, den der Herausgeber an das Ende seiner Einleitung stellt: "Lernet besaß keinen großen Sinn für das Bewahren solcher Lebenszeugnisse"; er vernichtete sogar leichten Herzens Briefe von Rilke und hat auch Briefe Gottfried Benns nicht aufbewahrt. Zuckmayer, der mehr antiquarisches Gespür hatte, musste 1938 mit seiner Emigration fast alles zurücklassen. Er vermutete, daß viele Briefe Lernets "mit all den in meinem Haus beschlagnahmten Schriften in irgendeinem Aktenschrank der Geheiemen Staatspolizei verbrannt und verschimmelt sind. Der folgende Briefwechsel ist notgedrungen ein Torso."
Alle Bände sind typografisch gut gestaltet und gut lesbar. Der Kommentar in den Tucholsky-Bänden ist dabei umfassender als bei Zuckmayer und macht mit Anhang und Register weit mehr als die Hälfte der Bände aus. Zum Zuckmayer-Band hätte mach sich mehr editorische Anmerkungen gewünscht, wobei auch dort der Kommentar sehr ausführlich und detailliert ist. Zusammenfassend drei ordentliche Briefbände, wobei die Tucholsky-Lektüre wesentlich unterhaltsamer ist und vor allem durch die privat gehaltenen Briefe zu ausgiebiger Lektüre anregen. Tucholsky gibt dem Leser in seinen Briefen einen interessanten Einblick in das Spannungsfeld zwischen privaten, schriftstellerischen und gesellschaftlichen Themen - garniert mit einer guten Portion Humor. Eine gute Edition und auch noch eine unterhaltsame Lektüre - was kann man mehr erwarten!
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