Jelineks große Schwester

In Gisela Elsners neu aufgelegtem Roman "Das Berührungsverbot" proben Spießer die sexuelle Revolution

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mag man es fast schon schändlich nennen, dass Rowohlt ein Buch wie Gisela Elsners 1970 erstmals erschienen Roman "Das Berührungsverbot" aus seinem Programm genommen hat, so ist es ein umso größerer Verdienst des kleinen Verbrecher Verlags, dass er es in das seinige aufgenommen hat.

Elsner wurde schon früh und noch vor Erscheinen des vorliegenden Romans von dem männlichen Gutachter eines großen bundesdeutschen Verlags aufgrund ihrer früheren Werke mit Elfriede Jelinek in einem Atemzug genannt, der seine misogynen Verbalinjurien gleichermaßen über beide Autorinnen ergoss. Damals wurde allerdings nicht etwa Elsner mit der späteren Nobelpreisträgerin verglichen, sondern die 'newcomerin' Jelinek, die gerade vergeblich versuchte, ihren ersten Roman in besagtem Verlag unterzubringen, mit der seit zehn Jahren von der - meist - männlichen Literaturkritik zwar oft gescholtenen, aber doch etablierten Autorin Elsner.

Nicht nur frauenverachtende Verlagsangestellte, sondern auch Feministinnen erkannten eine gewisse literarische Wahlverwandtschaft zwischen beiden Autorinnen. So wurde sehr viel später von dieser Seite - diesmal natürlich nicht mit pejorativem Zungenschlag, sondern anerkennend - festgestellt, dass Elsner, die 1992 im Alter von 55 Jahren durch Freitod aus dem Leben schied, mit dem vorliegenden Buch bereits zwei Dezennien vor Jelineks Verkaufsschlager "Lust" einen Antiporno verfasst hat, der - so kann man hinzufügen - lange seinesgleichen suchte und erst in Jelineks seinerzeit skandalisiertem MeisterInnenwerk fand.

In mehrfach verschlungenen, endlos mäandernden und dabei doch federleichten Sätzen erzählt Elsner im "Berührungsverbot" ebenso beiläufig wie kunstvoll eine überaus treffsichere Familien-, Alltags- und Sexualsatire über einige nicht nur von der vermeintlich ach so befreienden sexuellen Revolution überforderten KleinbürgerInnen der 1960er Jahre, die auch heute noch nichts von ihrem Witz verloren hat. Kurz gesagt: Wer das Buch noch nicht kennt, sollte sich den Gefallen tun, es schleunigst zu lesen.


Titelbild

Gisela Elsner: Das Berührungsverbot. Roman.
Verbrecher Verlag, Berlin 2006.
215 Seiten, 13,00 EUR.
ISBN-10: 3935843674

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