Untote Poesie

Lou Reeds gesammelten Songtexte sind nun auch in Deutschland erhältlich

Von André SchwarzRSS-Newsfeed neuer Artikel von André Schwarz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Originalausgabe von Lou Reeds Songtexten, im Jahr 2000 bei Hyperion in New York erschienen, ist längst eine gesuchte Rarität, die in Deutschland nur im Import oder mit einigem Glück in Antiquariaten erhältlich ist. Der Frankfurter S. Fischer Verlag hat sich nun an die verdienstvolle Aufgabe gemacht, dieses Buch auch hierzulande einzuführen. Es versammelt alle Texte von den Alben Reeds zusammen mit Andy Warhols legendärer Band "The Velvet Underground" über seine Soloplatten bis hin zur LP "Ecstasy" des Jahres 2000.

Und nicht nur die gängigen findet man, auch so manchem seltenen Song begegnet man hier, so etwa den Demoversionen zu "Sweet Jane" oder "New Age". Zusätzlich zu den englischen Originaltexten gibt es im zweiten Teil des Buches auch die deutschen Übersetzungen, die gekonnt von Manfred Allie übertragen und mit einigen erhellenden Anmerkungen und Erläuterungen ergänzt wurden. Sind die deutschen Texte recht konventionell und gewohnt gesetzt, so hat sich der Verlag glücklicherweise entschlossen, die englischen Texte im originalen Satz zu belassen.

Denn der ist eigentlich schon das Geld für das Buch wert. Jedes Album hat seine Besonderheiten, der Klassiker "The Velvet Underground and Nico" ist noch konventionell gesetzt, doch in der Folge drehen sich Texte im Kreis, Buchstaben kippen nach der einen oder anderen Seite, wechseln die Seiten, mäandern zwischen dem Buchkörper dahin. Ein ungemein schönes Design - auch wenn es gelegentlich der Lesbarkeit etwas abträglich ist. Beim Album "Transformer" etwa wird die Schrift von Song zu Song immer unschärfer, "Goodnight Ladies" ist so - leider - kaum noch zu entziffern. Beim schwer verdaulichen "Metal Machine Music", das wohl mehr eine Provokation gegenüber dem Plattenlabel denn als ernstzunehmende Platte zu betrachten ist, schwärzen sich die Seiten beim Umblättern immer mehr. Hier ist es allerdings nicht ganz so tragisch, Text gibt es hier sowieso nicht und der wahre Fan hat die LP naturgemäß in der Sammlung und kann hier die in "Pass thru Fire" abgedruckten Liner Notes nachlesen.

Doch warum dieser Aufwand bei der Gestaltung? Muss man so eine flache Unbedeutenheit des Inhaltes kaschieren? Mitnichten: Lou Reed mag nicht gerade der beste Sänger sein - ein Journalist schrieb mal sehr schön, dass das Treffen der Töne bei Reed immer auch ein bisschen Glückssache sei, und auch an der Gitarre kann man ohne weiteres einen Besseren finden - doch was die Qualität der Texte angeht, so muss sich Lou Reed keinesfalls verstecken. Kaum einer kann sich der Magie, seiner poetischen Kraft entziehen. Kaum ein Album eines anderen Künstlers entfaltet eine ganz eigene Atmosphäre wie Reeds Konzeptalbum "New York" oder das grandiose Debütalbum von Velvet Underground.

Und so macht man sich auf zum Plattenregal, legt den Tonarm auf, nimmt das Buch zur Hand und hört zu: "Just a perfect day, problems all left alone / Weekenders on my own, it's such fun / Just a perfect day, you made me forget myself / I thought I was someone else, someone good". Nein, die Gestaltung erhebt die Texte nur auf eine würdige Bühne.


Titelbild

Lou Reed: Pass Thru Fire. Alle Songs.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Manfred Allie.
S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2006.
800 Seiten, 27,90 EUR.
ISBN-10: 3100629280

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