Ein Trip, der nicht kickt

Ingo Niermann und Adriano Sack schreiben über "Die seltsame Welt der Drogen und ihrer Nutzer"

Von Martin SpießRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Spieß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wie erklärt man jemandem einen Drogenrausch? Richtig: Gar nicht. Man kann einem seit Geburt blinden Menschen auch keine Farben erklären. Drogen erschließen sich allein dem Nutzer. Die einzige Lösung also hieße Joint bauen, Bong stopfen, die American Express zücken und Geldschein rollen, Spritze aufziehen oder Löschblatt kauen. Jegliche Beschreibung der Wirkung von Drogen ist ziel- und sinnlos, weil sie beim Zuhörer nicht mit Erfahrung verbunden ist. Informative Bücher über Drogen sind - den Unterhaltungsfaktor außer Acht gelassen - letztlich ebenso nutzlos.

Im Eichborn Verlag ist ein solches gerade erschienen: Ingo Niermanns und Adriano Sacks "Breites Wissen. Die seltsame Welt der Drogen und ihrer Nutzer". Und das widmet sich in Anekdoten, Tabellen, Statistiken und lexikonartigen Kurztexten all den Fragen, die man sich in Verbindung mit Drogen nur vorstellen kann: woran man gutes Haschisch erkennt, wie viele Drogentote es jährlich gibt, wie viel Gras man straffrei mit sich führen darf und welcher amerikanische Präsident welcher Droge zugetan war. Niermann und Sacks erzählen von Morden auf PCP, von Erweckungsmomenten mit LSD, von Tieren auf Drogen und davon, welcher Promi unter dem Einfluss welcher Droge was verbrochen hat. Die Suche nach einer Struktur der Publikation endet vergeblich. Aber das hat - natürlich - einen Grund: Denn die Auswahl der Themen und die Anordnung im Buch ist intendiert willkürlich, wie ein unter Drogeneinfluss zusammengerührter obskurer Cocktail. Wenn man schon über Drogen schreibt, scheinen sich Niermann und Sacks gedacht zu haben, dann doch wohl wie Drogen und ihre Wirkung sind: Wild und strange, packend und marginal, Todesängste und grandiose Flashs in einem.

Das ist auch das große Problem des Buches. Denn die Idee, ein Buch über Drogen wie einen strangen Trip zu gestalten, ist zwar so schlecht nicht, scheitert aber an der Unmöglichkeit, damit das transzendentale Moment von Drogen einzufangen. Die journalistische und literarische Auseinandersetzung mit Drogen und ihrer Wirkung kann nichts anderes leisten als Unterhaltung.

Aber selbst das vermögen Niermann und Sacks nicht. Weil sie sich selbst zu ernst nehmen. Im Anhang des Buches nämlich findet sich "Das toxikologische Manifest", in dem die Autoren das Vorherige damit ad absurdum führen, dass sie Drogen kulturell verorten, sich zu ihnen geradezu moralisch äußern. Nach dem Motto: "So, wir haben Marihuana geraucht, jetzt schauen wir mal, wie wir uns dabei fühlen." Walter Benjamin lässt grüßen. Hat der Trip, der das Buch sein will, schon vorher nicht gekickt, jetzt spätestens stellt er sich als fake heraus. Zurück bleibt man mit einer trockenen Zunge und dem Gefühl, dass man das nächste Mal vielleicht doch lieber einen echten Trip schmeißen als davon lesen sollte.


Titelbild

Ingo Niermann / Adriano Sack: Breites Wissen. Die seltsame Welt der Drogen und ihrer Nutzer.
Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 2007.
192 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783821856698

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