Die Beantwortung der Frage: Was ist Film?

Sigrid Lange legt eine verlässliche und konzise Einführung in die Filmwissenschaft vor

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit bislang mehr als zehn vorliegenden Bänden hat sich die in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft erscheinende Reihe "Einführung Germanistik" auf dem Buchmarkt sowie unter Lehrenden und Studierenden der Disziplin längst etabliert. Und da es sich bei dem Fach bekanntlich um ein weites Feld handelt, dessen Grenzbereiche schwerlich genau zu bestimmen sind, wurden nicht nur Einführungen zu literarischen Epochen und Gattungen oder zu literaturwissenschaftlichen Theorien in die Reihe aufgenommen, sondern auch Bände zu verwandten Disziplinen wie der Kulturwissenschaft. Der jüngste Band der Reihe gilt mit der Filmwissenschaft ebenfalls einer der Disziplinen, deren Tätigkeitsfeld sich mit dem der engeren Germanistik nicht nur berührt, sondern überschneidet. Die an der Universität in Köln lehrende Literaturwissenschaftlerin Sigrid Lange hat ihn vorgelegt.

Lange situiert die noch junge Filmwissenschaft "im Kontext der ebenfalls neuen Medienwissenschaft". Ausdrücklich weist sie darauf hin, dass sich beide Disziplinen - ebenso wie die schon ältere Theaterwissenschaft - "als Ergänzung zu literaturwissenschaftlichen Studiengängen" verstehen.

Ihre ebenso konzise wie präzise Einführung entwickelt die Autorin entlang mehrerer Achsen. Zunächst erörtert sie die Frage, was Kino ist. Sodann widmet sie sich feministischen, psychoanalytischen und anderen Filmtheorien wie denjenigen von Siegfried Krakauer, André Bazin oder Gilles Deleuze. Im anschließenden Kapitel "Filmanalyse" wendet sie sich dem semiotischen und dem narrativen Modell zu, der Literaturverfilmung, sowie der Bedeutung und dem Zusammenhang von "Bild und Raum" und von "Sprache und Ton". Am Beispiel von Rainer Werner Fassbinders Film "Die Ehe der Maria Braun" (1978) zeigt Lange eindrücklich, was verschiedene Formen von Filmprotokollen leisten können und was nicht.

Das Kapitel "Filmgenres" eröffnet sie mit einigen kurzen Bemerkungen zur Genretheorie und stellt sodann zehn Genres vor, darunter die Stummfilmkomödie, den Musicalfilm, das Melodram, den Western sowie den Kriegs-, den Horror- und den SF-Film.

Abschließend wendet sich Lange verschiedenen "[s]tilbildende[n] Epochen" zu, wie etwa dem "Weimarer Kino zwischen Expressionismus und neuer Sachlichkeit", dem Avantgarde- und Experimentalfilm oder dem italienischen Neorealismus und wirft im letzten Abschnitt einen Blick auf den "Film heute".

All diese Bereiche und Aspekte stellt die Autorin ebenso eloquent wie verlässlich dar. Von besonderem Interesse mögen allerdings ihre Ausführungen zu den diversen filmwissenschaftlichen Theorien und Ansätzen sein, die sie nicht nur konzis vorstellt, sondern deren unterschiedliche Plausibilität sie durchaus auch bewertet, ohne einer von ihnen einen - gar absoluten - erkenntnisstiftenden Vorrang einzuräumen.

Natürlich beantwortet die Einführung weit mehr als nur die an sich schon alles andere als schlichte Frage, was Film sei. Und die Antwort fällt auch insgesamt vielschichtiger und tiefgründiger aus, als die von Lange an einer Stelle gewagte "verkürzt[e] Behauptung": "Film ist Melodram". Überhaupt gibt es an dem Band wenig zu monieren. Vielleicht, dass man doch gerne gewusst hätte, welches denn die "Märchenanleihen" der "Alien"-Filme (1979 bis 1997) sind, oder dass "Resident Evil" (2003) kein Animationsfilm ist. Das war es dann aber auch schon.


Titelbild

Sigrid Lange: Einführung in die Filmwissenschaft.
wbg – Wissen. Bildung. Gemeinschaft, Darmstadt 2007.
160 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783534184880

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