"Es hat geklappt"

Franz Hohler erzählt in seinem Roman "Es klopft" von einem Tinnitus, der an den Nerven zehrt

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es beginnt alles in Basel. Manuel Ritter sitzt im Zug, nach einem Kongress für Hals-Nasen-Ohren-Ärzte. Der Zug fährt an, da klopft es an die Scheibe neben ihm. Eine Frau blickt ihn an, "eindringlich, fast hilfesuchend, macht noch ein paar Schritte in der Fahrtrichtung, dann war sie aus dem Blickfeld verschwunden." Ritter kennt sie nicht, hat sie nie zuvor gesehen.

Ein paar Tage später ist sie in seiner Praxis, als letzte Patientin, so spät, dass die Arzthelferin schon gegangen ist. Was will sie? Sie will ein Kind von ihm, er ist genau der Richtige, das hat sie gleich gemerkt, auf dem Kongress, auf dem sie Übersetzerin war. Am Bahnhof kam sie aber zu spät. Sie verführt ihn, so auf die Schnelle, auf der Liege. Etwas später ruft sie noch einmal an: "Es hat geklappt." Und noch ein paar Monate später kommt ein Foto: Mutter und Kind. Und sie verschwindet aus seinem Leben. Er versteckt das Foto sorgfältig vor seiner Frau und denkt jahrelang nicht mehr daran.

Franz Hohler erzählt in seinem neuen, sehr kurzen Roman die Geschichte von Manuel Ritter, einem glücklich verheirateten Arzt, der zwei Kinder hat und nie daran dachte, fremdzugehen. Und dann passiert ihm so etwas. Es passiert ihm, als wäre er fremdgesteuert. Die Frau und sein Körper stürzen ihn in ein kurzes Abenteuer, das für ihn gar keine Konsequenzen hat. Denn die Frau, die nicht einmal ihren richtigen Namen nennt, will nichts von ihm. Nur dieses Kind. Aber über zwanzig Jahre später holt ihn die Geschichte wieder ein: Seine Kinder lernen ein Mädchen aus Basel kennen, das der Frau von damals sehr ähnlich sieht, sein Sohn verliebt sich in sie, sie wird schwanger. Und dann beginnt es bei Manuel Ritter zu klopfen. Der Tinnitus kommt mit Macht, wiederholt in seinem Ohr das Klopfen an der Eisenbahnscheibe, zerrt an den Nerven. Und er kann es niemandem erzählen.

Es kommt im Roman "Es klopft" glücklicherweise nur fast so, wie man es erwartet. Die Konstruktion ist schon etwas klapprig, aber diese Schwäche wird glücklicherweise aufgefangen durch den sanften, zärtlichen Ton, der einen in manchen Passagen an Adolf Muschg erinnert: überlegt, nachdenklich, etwas melancholisch. Schließlich vermag sich der Held seinen Schwächen und seinen Gefühlen doch noch zu stellen, ungern, zögerlich und ängstlich. Aber schließlich kann er nicht anders. In einem schwebenden, tastenden Ton führt Franz Hohler durch die Geschichte eines Mannes, der sich seiner selbst gar nicht so sicher ist, wie er selber glaubt. Der doch einige Kanten und schwarze Löcher hat, die nach Auseinandersetzung verlangen. Der nicht gerne über seine Gefühle redet, auch nicht mit seiner Frau.

Allerdings ist Hohler nicht so sicher und sprachlich auch nicht so souverän und tiefgründig wie Muschg, ihm fehlen einige erzählerische Feinheiten. Hohler bleibt immer noch ein wenig zu sehr an den Oberflächen, auch wenn er die Sicht auf seinen Helden durch Perspektivwechsel aufzuweichen versucht. Sein Buch liest sich ein wenig wie ein Anlauf, ein Probelauf zu einem kommenden, großen. Aber manche Szenen wirken jetzt schon ruhig und lebendig, getragen von Einsicht und einer großen Geduld.


Titelbild

Franz Hohler: Es klopft. Roman.
Luchterhand Literaturverlag, München 2007.
176 Seiten, 17,95 EUR.
ISBN-13: 9783630872667

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