Seltsame Geräusche im Hinterzimmer

Jens Raschke über obskure Musik

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Fast 300 Seiten mit merkwürdigen Geschichten aus der neueren Populärmusikgeschichte liegen vor dem Leser. Die Nachfrage nach Inhalten - hinter dem seichten Geplätscher oberflächlicher kultureller Exemplifikationen - nimmt maßgeblich zu. Dies gilt vor allem für den Bereich der Popkultur - per se schon ein Terrain, dem der Begriff der Oberflächlichkeit nicht unbekannt ist. Dieser Nachfrage ist die ansteigende Produktion der Bücher zu verdanken, die mehr ("Wo die wilden Maden graben") oder weniger ("Fargo Rock City") gelungen die Bereiche Literatur und Musik mit einander verknüpfen. Die Produktion gehaltvoller Information wird gerade für den Bereich der Popkultur immer dringendlicher, werden doch auch die Zusammenhänge und inhaltlichen Verknüpfungen immer komplexer. Auf der Suche nach Erklärungen, welche die Strukturen einer allumfassenden Popkultur durchdringen sollen, stößt man nicht nur auf nützliche Inhalte, sondern ebenso auf völlig abwegige, skurrile und sehr seltsame "Dinge".

Das Spektrum der absonderlichen Informationen reicht im vorliegenden Buch von Joseph Beuys "Sonne statt Reagan" bis hin zu Johnny Bode und Friedrich Jürgenson: "Am 12. Juni 1959 um kurz nach 16 Uhr machte Friedrich Jürgenson in einer abgelegenen schwedischen Waldhütte eine Entdeckung, die das Schicksal der gesamten Menschheit hätte verändern können - hätte diese sich nur einen Pfifferling darum geschert. So aber blieb das Wissen um Jürgensons sensationellen Fund nur wenigen Eingeweihten vorbehalten; jenen vor allem, die acht Jahre später sein Buch "Sprechfunk mit Verstorbenen (Eine dem Atomzeitalter gemäße Form der praktischen technisch-physikalischen Kontaktherstellung mit dem Jenseits)" und die dazugehörige Schallplatte "Auswahl der Stimmenphänomene (Stimmen Verstorbener)" erwarben." Schon dieser kleine Ausschnitt zeigt die Stärken des Buches: Humor und detaillierte Recherchen. Und von Beispielen wie dem soeben genannten enthält das Buch unzählige.

Wer sich also für Musik, Merkwürdigkeiten und bisher nahezu unbekannte kulturelle Phänomene interessiert, dem bietet Raschkes liebevoll zusammengetragenes Raritätenkabinett eine nahezu unerschöpfliche Quelle der Erkenntnis. Darüber hinaus ist das Band auch eine Kulturgeschichte trivialer Phänomene, ein Panoptikum der Exzentrik. Was aus solchen Quellen an Material für die Kulturwissenschaften gewonnen werden kann, ist überhaupt noch nicht absehbar. Der Band sei daher dem Kultur- ebenso wie dem Literaturwissenschaftler empfohlen. Dass er auch für den "normalen" Leser und Freund unnützen Wissens einen enormen Unterhaltungswert hat, sei besonders betont.


Titelbild

Jens Raschke: Disco Extravaganza. Eine Reise ins Wunderland der sonderbaren Töne.
Ventil Verlag, Mainz 2007.
270 Seiten, 13,90 EUR.
ISBN-13: 9783931555795

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