Im Zweifel für die Freiheit

Datenschutzexperte Peter Schaar skizziert das "Ende der Privatsphäre"

Von Jörg von BilavskyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jörg von Bilavsky

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit hat in der Öffentlichkeit viel Vernünftiges zu sagen, in der Bundespolitik jedoch oft nur wenig zu melden. Denn gegenüber Regierung und Parlament kommt Peter Schaar nur eine beratende Funktion zu. Die hingegen erfüllt er seit 2003 mit großem Engagement und profundem Fachwissen, das in zahlreichen Artikeln dokumentiert ist. In seinem neuesten Buch zieht der 53-jährige Diplom-Volkswirt eine vorläufige Bilanz aus den Erfahrungen und Erkenntnissen, die er als Datenschutzexperte gesammelt hat. Dabei wird er an keiner Stelle müde, das Recht auf "informationelle Selbstbestimmung" einzufordern, wenn es durch Eingriffe des Staates oder der Wirtschaft bedroht ist. Und das ist auch gut so.

Denn die von öffentlicher und privatwirtschaftlicher Seite erfassten Daten müssen nicht immer dem Wohle des Bürgers dienen. Die durch technisch immer ausgefeiltere Methoden gewonnenen Informationen über die Einkommensverhältnisse, den Gesundheitszustand, das Kommunikations- und Konsumverhalten jedes Einzelnen lassen sich angesichts ungenügender Datenschutzregelungen und dem eher schwach ausgeprägten Sinn für Persönlichkeitsrechte leicht missbrauchen. Dass mit sensiblen Informationen nicht immer korrekt umgegangen wird, zeigt Schaar etwa am Beispiel des BKA, das vor wenigen Jahren zur Terrorabwehr "eine Vielzahl personenbezogener Daten ohne Rechtsgrundlage an den Verfassungsschutz übermittelt" hat.

Dabei bestreitet Schaar gar nicht, dass es für das Datensammeln in Staat und Wirtschaft durchaus gute Gründe geben kann. Nur mit den angewandten Methoden und vorgeschobenen Argumenten will er sich nicht zufrieden geben. Weil sie oft genug "die freie Entfaltung der Persönlichkeit, das Verhältnismäßigkeitsprinzip und den Erforderlichkeitsgrundsatz" verletzen. Insofern zielt seine Kritik nicht grundsätzlich gegen die digitale Speicherung und Weitergabe von Kontodaten, Patientenakten oder Telefonverbindungen. Der Datenstrom muss nur verfassungsrechtlich einwandfrei, eindeutig zweckgebunden und für den Bürger transparent kanalisiert werden, lautet denn auch die Forderungen des Autors.

Man muss kein fanatischer Bürgerrechtler sein oder unter permanentem Verfolgswahn leiden, um sich Schaars fundierten Analysen und seinem ebenso einleuchtend vorgetragenen Plädoyer für eine "Modernisierung des Datenschutzrechts" anschließen zu können. Dazu argumentiert er zu stichhaltig und zu differenziert. Doch trotz der gut gemeinten und konstruktiven Vorschläge bleibt weiterhin die prinzipielle Frage offen, wie man dabei das weit verbreitete Bedürfnis nach Sicherheit in der Bevölkerung und die unbedingt zu verteidigenden Freiheitsrechte in ein vernünftiges Gleichgewicht bringt. Schaars Appell an die Verantwortung und die Selbstbegrenzung der Datensammler, seine Forderung nach mehr bürgerlicher Eigenverantwortung und Selbstbestimmung werden vermutlich weder eine "Ethik der Informationsgesellschaft" begründen noch dem Datenmissbrauch wirkungsvoll Einhalt gebieten. Gefordert sind jetzt vielmehr die verantwortlichen Politiker. Mit Peter Schaar haben sie einen guten Ratgeber. Sie müssten nur noch auf ihn hören und vernünftig handeln.


Titelbild

Peter Schaar: Das Ende der Privatsphäre. Der Weg in die Überwachungsgesellschaft.
C. Bertelsmann Verlag, München 2007.
256 Seiten, 14,95 EUR.
ISBN-13: 9783570009932

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch