Safe Sex in the City and Outer Space

Ein Sammelband beleuchtet die Geschlechterszenarien in der gegenwärtigen US-amerikanischen Populärkultur

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wenn die Fernsehserie "Sex and the City" eines zeigt, erklärt die Amerikanistin und Kulturwissenschaftlerin Sabine Sielke, dann, "dass der Feminismus weder vergessen noch verloren ist." Eine erstaunlich dezidierte Aussage angesichts des Umstandes, dass die Frage, ob die Serie feministisch oder frauenfeindlich sei, sowohl unter einschlägigen ForscherInnen wie auch unter FeministInnen heftig umstritten ist. Doch Sielke versteht sie zu plausibilisieren. Denn wie sie zeigt, reflektiert die Serie "frühere feministische Standpunkte" in "höchstvermittelter und gebrochener Weise". Dabei sympathisiere diese mit einer "dritten ambivalenten feministischen Position", die "Kritik am klassischen Binarismus der Geschlechterdifferenz" übe, indem sie dieses Konzept überzeichne und parodiere. Zudem sei die Serie um Carrie Bradshaw und ihre Freundinnen "maßgeblich" durch einen "hypertrophen" Diskurs "radikalfeministischer und fundamentalistischer Provenienz" über sexuelle Gewalt "motiviert", den sie zwar bewusst "ausklammern" wolle, jedoch zugleich "parenthetisch" rezitiere, "ohne ihn zu visualisieren". Dies könne als eine Form "strategischer Amnesie" interpretiert werden. Denn nur so sei ein postfeministischer Diskurs möglich, "der sich der Eingrenzung des Aktionsradius weiblicher Subjekte widersetzt" und "Frauen aus der dominanten Projektion des Objekts sexuellen Begehrens und sexueller Gewalt befreit".

Sielkes Interpretation der Serie will deutlich machen, dass "die medienspezifische strukturelle Interdependenz von Wiederholung und Alterität" für deren "ambivalente postfeministische Haltung" grundlegend ist. Wie sich an der Serie zeigen lasse, stellen gerade die kulturellen Praktiken "landläufige Vorstellung[en] einer progressiven Evolution feministischen Denkens" in Frage, die feministischen Debatten allererst "zur Popularität verholfen" haben. Die Serie sei zwar "durchaus subversiv". Doch drücke sich diese Subversivität weniger in politischen Statements als vielmehr im Umgang mit dem Medium Fernsehen und in "intermedialen Transformationen" feministischer Positionen sowie in Ambivalenzen aus. So führe die Serie die Schwierigkeiten, "angesichts der langen Geschichte und perspektivischen Varianten feministischer Interventionen effektvoll feministisch zu agieren", nachdrücklich vor Augen.

Sielkes scharfsinnige Überlegungen zu dem "postfeministische[n] TV-Drama" zielen aber auch noch auf etwas anderes, nämlich auf die weitergespannte Frage, was es über die "populäre Ausdeutung des Begriffs 'Postfeminismus'" als vermeintliche "Form des Antifeminismus" und als eine "Zeit nach dem Ableben feministischer Ideologien" hinaus mit der postfeministischen "Problematik" auf sich hat.

Sielke beantwortet diese Frage mit der Feststellung: "Ebensowenig wie der Begriff der Postmoderne eine Zeit nach der Moderne, sondern vielmehr eine vielgestaltige Fortführung der Moderne unter veränderten Vorzeichen umreißt, stellen postfeministische Perspektiven keine Abkehr von feministischem Gedankengut dar." Doch ist ihr offensichtlich ein kleiner Tippfehler unterlaufen. Das wäre nicht weiter tragisch, wenn das "k" in dem Wörtchen "keine" nicht den offenbar beabsichtigten Sinn des letzten Halbsatzes in sein Gegenteil verkehren würde.

Ungeachtet dieser ärgerlichen Fehlleistung wird Sielkes differenzierter Aufsatz den Vieldeutigkeiten der untersuchten Serie gerecht und macht dabei nicht nur deutlich, wieso bestimmte progressive Lesarten plausibler sind als andere konservative, sondern präsentiert selbst eine der plausibelsten, welche die Serie als (post-)feministisch ausweist.

Sielke publiziert ihre erhellenden Überlegungen in dem von Heike Paul und Alexandra Ganser herausgegebenen Band "Screening Gender - Geschlechterszenarien in der gegenwärtigen US-amerikanischen Populärkultur", der sich mit der "Repräsentation und Inszenierung von Geschlechterrollen und Geschlechterbeziehungen in der gegenwärtigen Populärkultur" befasst. Ebenso wie Sielkes Beitrag gehen auch einige andere auf eine vom Deutsch-Amerikanischen Institut gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Amerikanistik in der Sektion Nordamerika im Zentralinstitut für Regionalforschung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg organisierte Vortragsreihe mit dem Titel "Sex in the City - und anderswo" zurück.

So erstaunt es nicht, dass sich mehrere Beiträge mit den New Yorkerinnen Carrie, Samantha, Miranda und Charlotte befassen. Während Zoe Antonia Kusmierz Carrie Bradshaw mit der Titelfigur von Theodor Dreisers 1900 erschienenem Roman "Sister Carrie" vergleicht und einige Gemeinsamkeiten entdeckt, geht Vanessa Künnemann ähnlich wie Sielke der Frage nach, ob die Serie "tatsächlich subversiv mit den im öffentlichen Leben der USA so heiklen Themen Sexualität, freie Liebe, und Pornografie umgeht", und verortet sie "zwischen puritanischem Erbe und Provokation". Anhand der Serie untersucht Künnemann das "Spannungsfeld von Pressezensur und antipornografischen Bewegungen" sowie zwischen den einschlägigen Gesetzen und der in der US-amerikanischen Verfassung prominent verankerten Meinungsfreiheit einerseits und der "vermeintlich zunehmend selbstbewussten Medienpräsenz weiblicher Heldinnen" andererseits. Dass "Sex and the City" in den puritanischen USA "viele Freiheiten" genoss und "viele juristische Erwägungen" aushebeln konnte, ist Künnemann zufolge der Ausstrahlung im pay-TV zu danken. Ebenso wie auch Sielke weist sie darauf hin, dass seit Sommer 2004 "eine entschärfte, quasi-zensierte Version" von einem Privatsender ausgestrahlt wurde, der die Serie "zu einer Art ,Safe Sex in the City'" verharmloste, wozu er etwa die Ausleuchtung verschiedener Nacktszenen auf ein dunkleres Licht herabdimmte.

"Nackte Haut" und "sexuelle Exzesse" sind zwar nicht nur, aber vor allem bei Samantha zu sehen, der der Autorin zufolge "im Unterschied zu den Identifikationsfiguren Carrie und Charlotte" die "Funktion einer komischen Projektionsfläche" zukommt. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Sicher gibt Samantha oft die komische Figur und gerade ihre Sexszenen werden wiederholt ins Grotesk-Komische übersteigert und somit abgefedert. Unerwähnt lässt Künnemann allerdings, dass Samantha ebenso ihre ernsten Seiten und Auftritte hat, wie die anderen Protagonistinnen ihre komischen. Man denke etwa an Samanthas befürchtete Aids-Infektion und ihre Erkrankung an Brustkrebs oder an Charlottes Vibrator-Sucht. Und ob letztere als doch eher konservative Figur den zweifellos eher progressiven Zuschauerinnen besser zur Identifikation taugt als Samantha, ist auch fraglich.

Laut Künnemanns Fazit bewegt sich die Serie insgesamt in einem "Spannungsfeld zwischen Provokation, Satire und Humor auf der einen Seite, aber auch moralischen Fangnetzen auf der anderen." So sei sie "zugleich subversiv und innovativ wie auch affirmativ", womit sie die ideologische, politische und feministische Strömungen in den USA widerspiegle und überhaupt als "Projektionsfläche einer divided nation, einer in sich (moralisch) gespaltenen Nation" fungiere.

Nicht dem Sex in der City, sondern im outer space wendet sich Katja Kanzler zu. Genauer gesagt dem Sex im Star-Trek-Universum. Denn "Star Trek" biete sich mehr als jeder andere "SF-'Text'" an, "über gender, Sex und Populärkultur nachzudenken". Warum das so sein soll, will zwar nicht recht einleuchten, wenn man sich andere Serien wie "Farscape" anschaut, oder zu den Romanen Ursula K. LeGuins, Marge Piercys und anderer feministischer SF-Autorinnen greift. Doch sei's drum. Jedenfalls widmet sich Kanzler insbesondere zwei Episoden. Da wäre zunächst "The Unexpected" aus der jüngsten Serie "Enterprise", die sie zurecht als "ironische[n] Lichtblick in einer sonst recht martialischen und actionbetonten ersten Staffel" hervorhebt. In ihr wird ein männliches Besatzungsmitglied durch einen von ihm nicht als sexuell erkannten Kontakt mit einem Alien schwanger. Die zweite Episode "Fair Heaven" entstammt der Serie "Voyager". In ihr verliebt sich Captain Kathryn Janeway in ein Hologramm, dass sie durch Umprogrammieren seiner Subroutinen immer mehr ihren Vorstellungen von einem Traummann angleicht.

Weitere Beiträge gelten den Serien "Nip/Tuck" und "Six Feet Under" (Markus Rheindorf), "Dawson's Creek" und "Queer as Folk" (Ralph J. Poole) oder dem Kinofilm "The Stepford Wifes" (Karin Höpker und Andrea Kuhn). Alexandra Ganser beleuchtet "Mütter und Töchter in US-amerikanischen Road Movies", während Karin Esders sich an der "unheimlichen Schönheit künstlicher Körper" erfreut und erschreckt.

Mitherausgeberin Heike Paul richtet hingegen den Blick auf das geschriebene Wort und liest "Chick lit als (post)feministische Populärliteratur", deren "Überzeichnung tradierter weiblicher Klischees" stereotype Muster erodiere. Indem sie Weiblichkeitsklischees hinterfrage und kommentiere, lasse chick lit deren "Instabilität" hervortreten.

Bevor sich Paul jedoch der Literatur selbst zuwendet, zeichnet sie die "Debatte zwischen feministischen und postfeministischen Positionen" nach, da diese "für die Einordnung und Rezeption von chick lit eine symptomatische Auseinandersetzung darstellt". Ähnlich wie Sielke hält es auch Paul für "wenig hilfreich", das Verhältnis von Feminismus und Postfeminismus "nur in einer jener binären Logiken zu fassen" und weist darauf hin, dass das Denken in Binaritäten innerhalb der Gender Studies "von jeher kritisiert" wurde. Tatsächlich fänden sich "vielfältige Überlagerungen und Überschneidungen" zwischen den Inhalten beider Begriffe. Das klingt zwar harmlos, doch wendet sich Paul damit nicht nur gegen die Auffassung, Postfeminismus habe mit Feminismus nichts zu tun und sei vielleicht sogar antifeministisch, sondern ebensowohl gegen die gegenteilige Position, der zufolge Postfeminismus eine bestimmte Form des Feminismus sei.

Im Mittelpunkt von chick lit stehen laut Paul "die Erfahrungen junger und nicht mehr ganz so junger Single-Frauen [...], deren Leben sich um Karriere und Berufstätigkeit, Beziehung und Partnersuche und bestimmte Freizeitvergnügen (vor allem Ausgehen und Einkaufen) dreht". Die Protagonistinnen seien "stets bemüht, humorvoll und selbstironisch unterschiedlichen Anforderungen und Erwartungen gerecht zu werden und Finanz-, Gewichts- oder Beziehungsprobleme zu lösen". Vor allem aber gehe es ihnen um "Selbstverwirklichung im Sinne eines gelungenen Lebens". Gemäß der von Paul entwickelten Typologie des Genres partizipieren seine Bestseller als "partiell ironisch oder gar zynisch gewendet[e]" harlequin romances an der "langen Tradition romantischer Liebesgeschichten" ebenso wie an Ratgeberliteratur für Frauen und Hochglanzfrauenmagazinen, aber auch an "feministischen Prätexten". Vor dem Hintergrund letzterer könnten postfeministische Texte wie die Romane der chick lit "trotz aller Vorbehalte" als eine "zeitgemäße Aktualisierung widerständiger weiblicher Lebensentwürfe" gelesen werden.


Titelbild

Heike Paul / Alexandra Ganser (Hg.): Screening Gender. Geschlechterszenarien in der gegenwärtigen Us-amerikanischen Populärkultur.
LIT Verlag, Berlin 2007.
248 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-13: 9783825899509

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch