Wörtlich genommen

In seinem neuen Roman "Die Bibel & ich" versucht A. J. Jacobs, das Buch der Bücher praktisch nachzuvollziehen

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wie in seinem Vorgängerroman "Britannica und Ich" hat Jacobs ein weiteres Großprojekt in Angriff genommen. Seine Argumente, die für das Buch "Die Bibel und Ich" sprechen, fasst er in seinen Vorbemerkungen zusammen: "Wie die meisten biblischen Reisen hat auch die meine mich auf Abwege geführt, wie ich sie mir niemals hätte träumen lassen: Ich habe in Israel Schafe gehütet. Ich habe ein Taubenei gestreichelt. Ich habe im Gebet Trost gefunden. Und ich habe mir von den Amish People Amish-Witze erzählen lassen. Ich hatte keine Ahnung, mit wie unglaublich vielen Makeln ich behaftet bin. Ich hatte auch keine Ahnung, dass ich eines Tages auf die Bibel trauen und mich freuen würde, wie es in den Psalmen so schön heißt."

Der Text changiert zwischen Roman und Erlebnisbericht. Dabei ist die letztere Bezeichnung sicherlich treffender, auch wenn man, wie Jacobs bestätigt, gestalterische Freiheiten in Chronologie und Dramatik der Ereignisse bemerkt. Diese notwendige gestalterische Freiheit hat sich der Autor genommen, um aus dem reinen Erlebnisbericht einen unterhaltsamen, gut lesbaren Roman zu machen. Um nun in einer täglichen Chronik eines Jahres sein Experiment minutiös zu schildern und den Leser miterleben zu lassen, was für ein oft haarsträubendes Themenfeld hier beackert wird, begleiten ihn tagebuchartige Aufzeichnungen. Teile des Erlebnisberichtes wurden zusammengefasst und Jacobs greift nacheinander einen Satz, einen Vers, eine Sentenz, ein Gebot - oder besser: eine Regel - aus der Bibel heraus, und versucht, an jedem Tag dieses experimentellen Jahres, sich wortwörtlich daran zu halten. Dass die Übertragung der dort im Alten und Neuen Testament empfohlenen Handlungsweisen in die Gegenwart des 21. Jahrhunderts auf teilweise erhebliche Schwierigkeiten stößt, muss nicht gesondert hervorgehoben werden. Auch die Aufmerksamkeit, die Jacobs in seinem sozialen Umfeld erregt, lässt jede Menge komische und groteske Situationen entstehen. Allein schon die Vorgehensweise bei einer zelebrierten "Steinigung" entbirgt den fantastischen Humor, den man für ein solches Projekt braucht (Jacobs greift übrigens bei der "Steinigung" auf winzige Kiesel zurück, da in der Bibel nichts über die Größe der verwendeten Steine bei einer Steinigung steht).

Jacobs ist ein Erfolg versprechendes und sehr unterhaltsames Buch gelungen. Leser und Autor sind zwar nach der Lektüre kaum religiöser geworden, aber um einen erheblichen Anteil an Detailwissen in Bezug auf die Religion reicher. Dass dieses Wissen auch die Merkwürdigkeiten, die mit der Religion verbunden sind, enthält, dies ist dem genauen Blick des Autors zu verdanken. Man überlegt bei der Lektüre auf den letzten Seiten des Buches, welches Projekt folgen wird. Denn dass sich der Leser nach solcher Lesekost eine Fortsetzung wünscht, ist bei der kurzweiligen Lektüre und der Fülle an seltsamen und verschrobenen Geschichten in der Erzählung über das Buch der Bücher nicht weiter verwunderlich.


Titelbild

A. J. Jacobs: Die Bibel & ich. Von einem, der auszog, das Buch der Bücher wörtlich zu nehmen.
Übersetzt aus dem Englischen von Thomas Moor.
Ullstein Verlag, Berlin 2008.
432 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783550087240

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch