Verschenkte Gelegenheiten

Nick Hornbys jüngster Roman „Juliet, Naked“ verspricht viel und hält dabei nur wenig

Von André SchwarzRSS-Newsfeed neuer Artikel von André Schwarz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eigentlich – so sollte man annehmen – müsste der neueste Roman „Juliet, Naked“ des englischen Schriftstellers Nick Hornby die Herzen derjenigen erfreuen, die seine Bücher, allen voran „High Fidelity“ (1995) und „About a boy“ (1998), mochten. Denn der Autor begibt sich mit seinem jüngsten Werk wieder auf bekanntes Terrain: Es geht um Musik, ein wenig um die midlife crisis und um die Beziehungen zwischen ganz normalen Thirtysomethings, die zwar gelegentlich etwas schrullig, aber immer sympathisch wirken und es dabei schaffen, die Lebenswelten der meisten Leser auf die eine oder andere Art und Weise zu spiegeln. Mainstream-Literatur mit etwas Anspruch eben, die man aber auch notorischen Weniglesern ans Herz legen kann.

Mit „Juliet, Naked“ wird deutlich, was man auch schon bei „About a boy“ geahnt hat: Hornby hat sein Thema bis zum Letzten ausgereizt. Und wie schon bei seinen Versuchen, sein Standardsujet zu erweitern – etwa bei dem völlig misslungenen „How to be good“ (2001) und dem nur mit wenigen guten Momenten aufwartenden Suizid-Roman „A long way down“ (2005) – scheitert der Autor auch dieses Mal daran. Seine Story ist dabei gar nicht mal so schlecht: Ein Ex-Rockstar, Tucker Crowe, der sich völlig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat (Syd Barrett lässt grüßen), kommt über eine Rezension einer seiner Platten mit Annie in Kontakt. Deren Freund Duncan wiederum ist ein fanatischer Anhänger eben jenes Tucker Crowe und kann ihre Meinung in keinster Weise teilen. Duncan und Annie trennen sich nach einer Affäre Duncans, Crowe besucht sie schließlich mit seinem Sohn Jackson in England. Erstaunlich ist dabei, mit welcher Zuverlässigkeit Hornby die Möglichkeiten seiner Geschichte verschenkt. Die Beziehung zwischen Annie und Duncan wird erst weitschweifig vorbereitet, endet dann aber schlagartig und wird sang- und klanglos beiseite gelegt. Crowes Kinder tauchen zwar immer wieder auf – mit vielversprechenden Ansätzen, wie etwa bei der Geschichte um die Schwangerschaft von Lizzie oder um seine älteste Tochter Gracie –, es fehlt ihnen aber an der Bindung zum Rest des Romans. Aus der provinziellen Kleinstadt mit dem schrulligen Museum hätte man etwas machen können, doch auch diese Möglichkeit lässt der Autor ungenutzt, so wirkt das Ganze nur verstaubt und bemüht. Man hat den Eindruck, einer Sammlung von ganz guten Ideen gegenüberzustehen, die aber unausgegoren bleiben und die im Verlauf des Buchs immer wieder im Sand verlaufen. Diejenigen Handlungsstränge, die er im Verlauf der knapp 360 Seiten nicht vergessen hat – viele sind das nicht – fügt Hornby dann auf den letzten Seiten zusammen, was er aber derartig langatmig vorbereitet, dass selbst das zufällige Zusammentreffen von Duncan und Crowe, was einer der Höhepunkte des Buches sein könnte, keinen Leser mehr hinter dem Ofen hervorlockt.

Noch weniger Mühe hat sich Hornby mit seinen Protagonisten gemacht. Diese wirken über weite Strecken austauschbar. Duncan, so etwas wie das übliche alter ego des Autors, ist ein ziemlich blasierter, unsympathischer und einfallsloser Charakter, seine Freudin Annie eine ebenso unambitionierte, farblose Person, deren Beweggründe und Gefühle diffus und beliebig bleiben. Die Nebenfiguren sind so unscheinbar, dass man sich bei manchen fragt, wieso diese überhaupt auftreten. Ros, die lesbische Freundin von Annie etwa, Gav und Barnesy, die beiden Tänzer, die Annie auf ihrer Suche nach einer Affäre trifft (auch so eine Geschichte, die zwar angerissen, dann aber fallen gelassen wird), der unfähige Psychotherapeut Malcolm – alle zusammen lieblos geschilderte Pappkameraden.

Die einzig interessanten Figuren des Buches sind Jackson – Tuckers kleiner Sohn, der in seiner apokalyptischen Angst um das baldige Ableben des Vaters so manche gute Szene alleine trägt – und mit Abstrichen Crowe selbst. Bei diesen beiden blitzt das durchaus vorhandene Talent Hornbys auf – doch um einen ganzen Roman zu tragen, ist das eindeutig zu wenig. Crowes Erkenntnis, sein Leben ändern zu müssen und langsam, aber sicher Verantwortung für sich und seine Umwelt übernehmen zu müssen – auch ein „klassisches“ Hornby-Thema –, die Emanzipation Annies nach der alles erdrückenden Beziehung mit Duncan, das wären die Themen gewesen, die es wert gewesen wären, weiter darüber nachzusinnen.

Sprachlich war Hornby zwar nie ein Autor, der stilistisch den Top Ten angehörte, doch schaffte er es immer, die größten Klippen der Trivialität zu umschiffen. So manche Dialoge – etwa in „High Fidelity“ – waren von großem Esprit geprägt, in „A long way down“ gab es längere, nachdenkliche Passagen von einer überraschenden Dichte und ohne Sentimentalitäten. Doch in „Juliet, Naked“ schrammen einige Sätze nur haarscharf am Kitsch vorbei: „Sie war eine Krankheit, diese Einsamkeit – sie machte schwach, leichtgläubig und irre“, heißt es da etwa, oder „Ich weiß, dass… dass Liebe einen verwandeln soll. […] Ich bin verwandelt worden, und wie es dazu gekommen ist, ist gleichgültig“. Solche Sätze erwartet man dann doch eher bei Rosamunde Pilcher als beim britischen Fußball- und Musik-Liebhaber Hornby. Vielleicht sollte er sich einfach darauf verlegen, Anthologien zusammenzustellen, wie etwa „Speaking with the angel“ (2001), oder aber seine Platten wie Rob Fleming, der Protagonist in „High Fidelity“,autobiografisch zu ordnen und darüber schreiben. Das wäre zumindest kurzweilig – anders als „Juliet, Naked“.

Titelbild

Nick Hornby: Juliet, Nacked. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009.
360 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783462041392

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