Feminismus ist tot! Es lebe der Feminismus!

In „Feminisms Revisited“ kommen Wissenschaftlerinnen unterschiedlicher Disziplinen zu Wort

Von Sabine Lüdtke-PilgerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sabine Lüdtke-Pilger

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Buch „Feminisms Revisited“ entstand aus einer gleichnamigen Veranstaltungsreihe an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Veranstalterin sowie Herausgeberin des darauf basierenden Sammelbandes ist die promovierte Wissenschaftlerin Meike Penkwitt, die Deutsch und Biologie studierte und seither Lehraufträge zu Themen wie „Feministische Naturwissenschaftsforschung und -kritik“, „Pornografie in Literatur, Film und Kunst“ oder „Ekel und Trauma im Film unter Genderaspekten“ hatte.

Initialzündung für „Feminisms Revisited“ war die in unterschiedlichen Kontexten beobachtete Ausrufung eines „Neuen Feminismus“ – eines Feminismus, der insbesondere in der Medienwelt seine Ausformung findet. Populäre Beispiele hierfür sind Publikationen wie „Wir Alphamädchen“ von Meredith Haaf oder „Feuchtgebiete“ von Charlotte Roche. Aber auch Lady Bitch Ray mischte mit ihren legendären Auftritten bei Maischberger oder Harald Schmidt die Medienwelt auf und heizte die Diskussion um einen neuen Feminismus an.

Gibt es tatsächlich einen alten Feminismus, der sich ohne Weiteres von einem neuen Feminismus abgrenzen lässt? Wenn eine Lady Bitch Ray verkündet, dass ihre Möse juckt und sie stolz darauf ist, eine „bitch“ zu sein, mag das zunächst revolutionär wirken, doch eigentlich verweist sie dadurch nur auf die Bedeutung von Sprache bei der (Re-)Inszenierung von Geschlechteridentitäten, eine Bedeutung die Judith Butler bereits vor über zwei Jahrzehnten konstatierte. Nicht alles, was neu scheint, ist also neu. Darum wissen auch die Autorinnen. Dieser Sammelband beschäftigt sich kritisch und gleichzeitig wertschätzend mit der Relevanz aktueller feministischer Fragestellungen sowie dem Stand der feministischen Theoriebildung.

Die verschiedenen Aufsätze bilden ein transdiziplinäres Panoptikum, eine seismografische Momentaufnahme, die die Bedeutung der Geschlechterforschung für alle Wissenschaftsbereiche und das gesellschaftliche Leben anschaulich herausstellt. Gender-Mainstreaming alleine reicht nicht aus, um die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern auszuradieren. Es braucht eine lebendige Debatte, ein kritisches Bewusstsein, um eine Gleichstellung zu erreichen (dabei bedeutet Gleichstellung nicht unbedingt eine Gleichmachung der Geschlechter, sondern vielmehr eine gleichwertige Behandlung, auch unter der Berücksichtigung geschlechterspezifischer Unterschiede). Dazu reicht es nicht, einen neuen Feminismus auszurufen, weil einem der alte Feminismus zu „unsexy“ ist. So beschäftigt sich ein Teil der Aufsätze zu Recht mit der Aktualität von Theoretikerinnen wie Butler und Simone de Beauvoir. Aber auch Phänomene der Populärkultur, wie Eva Herman, das Ehepaar Pease und Frank Schirrmacher werden kritisch beäugt, da sie in ihren wenig differenzierten Publikationen ein konservatives Rollback propagieren – gerne auch unter dem Label der Biologie oder der evolutionären Psychologie.

Gegen pseudobiologische und antiintellektuelle Feminismuskritik neueren Datums wendet sich die Literaturwissenschaftlerin Tina-Karen Pusse in ihrer lesenswerten Streitschrift „Undoing Feminism: Über female brains, Apfelkuchen und Motorsport“. Die Naturwissenschaftlerinnen Sigrid Schmitz eröffnet interessante Einblicke in die feministische Naturwissenschaftskritik. Das Thema Körper als Gegenstand feministischer Reflexionen taucht im Beitrag der Medizinerin Elisabeth Zemp auf. Sie fordert Geschlechtsunterschiede nicht als Festlegung, sondern als Ausgangspunkt der Beobachtung und Beschäftigung mit Zusammenhängen zwischen Geschlecht und Gesundheit zu nutzen. Spannend sind auch die Ausführungen der Diplompädagogin Lotte Rose, die sich mit den Paradoxien der modernen Entbindungsformen auseinandersetzt. Die Autonomie der Gebärenden ist ihres Erachtens keineswegs mit einer totalen, normativen Freisetzung der Gebärenden gleichzusetzen. Die Geburt wird damit nicht zur Privatsache, wie es das Autonomieideal suggerieren mag – die Reformen des Gebärens werden sogar von massiven Endprivatisierungsvorgängen begleitet. Welche junge Mutter fühlt sich nicht manchmal von der Flut an Ratgebern, Erlebnisberichten, Kursen, Selbsterfahrungsgruppen und Internetforen überfordert.

Wer denkt Feminismus sei „out“ oder überflüssig, der wird spätestens durch die Lektüre dieses Buches eines Besseren belehrt. Ohnehin hat Feminismus nie als Singular existiert. Neben der Vielfalt gab es auch innerhalb der verschiedenen Strömungen immer Meinungsverschiedenheiten. Ob es tatsächlich eine Zäsur gibt, die es nun verlangt von einem neuen Feminismus zu reden, bleibt abzuwarten. Aber das ist eigentlich auch gar nicht so wichtig. Die Inhalte müssen stimmen! Das dabei auch auf alte Theoretikerinnen zurückgegriffen werden muss, versteht sich. Schließlich geht es hier um Wissenschaft und nicht um die vermeintliche Entdeckung eines Apfelkuchen-Gens.

Titelbild

Meike Penkwitt (Hg.): Feminisms Revisited.
Budrich UniPress, Leverkusen 2010.
470 Seiten, 29,90 EUR.
ISBN-13: 9783940755636

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch