Empire Mitterand

Dominique Manottis Versuch über die Grauzone der Macht im sozialistisch regierten Frankreich. „Roter Glamour“ zeigt vor allem die Unbeherrschbarkeit von komplexen Verhältnissen

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Kernparadigma des politischen Krimis ist der Missbrauch der Macht zugunsten mehr oder weniger finsterer Interessen. Das greift gelegentlich auch auf jene Parteien oder Gruppen über, die gemeinhin eher auf der Seite der Guten stehen (was natürlich von der Perspektive des Betrachters abhängt, aber setzen wir doch für eine Weile als Prämisse, dass eine sozial engagierte Regierung im Großen und Ganzen das Richtige will und das Allgemeinwohl im Auge hat). Auch im politisch begrüßenswerten Milieu trifft man auf Vetternwirtschaft, Korruption, Machtmissbrauch und die Vermischung persönlicher und allgemeiner Interessen. Und mindestens im politischen Krimi werden in diesem Zusammenhang auch Leute umgebracht. Ob das in Wirklichkeit so ist – wer weiß das schon?

Waffenhandel insbesondere mit Ländern, die unter einem Waffenembargo der UNO stehen, gilt zumeist nicht als löbliche Aktivität. So gehört denn auch die kleine Feierlichkeit, mit der Dominique Manotti „Roter Glamour“ eröffnet, eher in die Grauzone des politischen Establishments unter François Mitterand. Was hier gefeiert wird, gehört sich nicht und geht kurze Zeit später doch noch schief. Das Flugzeug, das Waffen in den Iran bringen soll, verschwindet – und die Aufmerksamkeit unterschiedlicher Ermittler und Interessenten richtet sich auf den ungewöhnlichen Vorfall. Wer steckt hinter dem Waffenhandel? Und wer hat ein Interesse daran, den Deal zu verhindern?

Und schon stecken wir mitten in den Kalamitäten, mit denen sich die Entourage des französischen Neusonnenkönigs Mitterand herumzuschlagen hat (was der mit dem echten Mitterand zu tun hat, lassen wir dahin gestellt).

Der Präsident selber will von Waffenhandel nichts wissen. Aber er will auch – und sein Wille ist dem einen oder anderen Befehl –, dass die im Libanon gefangenen Franzosen so schnell wie möglich freikommen. Und wenn die normalen diplomatischen Bemühungen nichts bewirken – was offensichtlich ist –, dann müssen eben andere Wege eingeschlagen werden.

Und dafür gibt es Leute wie François Bornand, der zum engeren Beraterkreis des Präsidenten gehört, aber politisch sonst nicht weiter auftritt. Den Präsidenten kennt er aus frühen Tagen – aus jener Zeit jeder Karriere, in der die Kontakte geknüpft werden, die später so nützlich sein können. Als Mitterand Präsident wird, wird Bornand einer seiner engsten Mitarbeiter mit täglichem Spaziergang.

Auf diesen Spaziergängen sehen sich die Herren gern die jungen Verkäuferinnen an, die in den Läden bedienen, sie sprechen über dieses und jenes und darüber, wie Politik gemacht wird. Hier empfängt Bornand seine Anweisungen. Aus dem Apparat des Präsidenten bekommt er seine Informationen, denn selbstverständlich ist Bornand in die zweifelhaften Geschäfte mit Nahost verwickelt, wo hier doch französische Interessen auf dem Spiel stehen.

Da ist das Wissen um die Gegenspieler von besonderer Bedeutung – und Bornand setzt alle Hebel in Bewegung, um die Hinterleute des Flugzeugsabsturzes zu erfahren.

Dabei aber kommt es zu dem, was man gemeinhin Kollateralschaden nennt: Es werden Leute getötet, einzelne Akteure schlagen über die Stränge und verstehen Aufträge falsch, der eine oder andere spielt auch falsch, was die Situation nicht verbessert. Zumal mit den Toten auch die Polizei ins Spiel kommt, die nach einem simplen Mörder fahndet, wo es hier doch um ganz andere Verbrechen geht. Mord ist da noch das kleinste.

Manottis Versuch ist in der Tat interessant angelegt. Sie nimmt die Tradition des politischen Romans, in dem widerstreitende Interessen eine komplexe Gemengelage erzeugen. Die Akteure wissen nur zum Teil voneinander. Die Aktivitäten der einen werden von den Aktivitäten der anderen Akteure konterkariert. Das ganze Geschehen wird dadurch nicht nur undurchsichtig, weil komplex. Es durchläuft auch einige Eskalationsstufen, bei denen vor allem eines klar wird: Einmal angestoßen, werden solche Ereignisketten unbeherrschbar. Zu unterschiedlich sind die Interessenlagen, zu verschieden der Wissensstand, und zu viele Akteure handeln, ohne eigentlich zu wissen, was sie damit anrichten – im guten wie im schlechten Sinne. Insofern ist das Ergebnis, das sich bei der Lektüre von „Roter Glamour“ einstellen mag, weniger die Entlarvung einer bigotten Elite auch der französischen Sozialisten, die auch noch in sich zerstritten ist, sondern wie wenig solche Situationen beherrschbar sind, wie sie Manotti aufzeichnet. Nicht die Guten siegen am Ende, sondern irgendwer.

Titelbild

Dominique Manotti: Roter Glamour.
Übersetzt aus dem Französischen von Andrea Stephani.
Argument Verlag, Hamburg 2011.
246 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-13: 9783867541923

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