Im Pathos ertrunken

José Manuel Prieto räumt in seinem Traktat „Die kubanische Revolution und wie erkläre ich sie meinem Taxifahrer“ mit der Che-Guevara-Romantik auf

Von Susanne HeimburgerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Susanne Heimburger

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Was haben Taxifahrer und italienische Parlamentarier gemeinsam? Nun, sie pflegen ein verklärtes, naives Bild der kubanischen Revolution, von dem sie nicht ablassen mögen. Zu diesem Schluss könnte man zumindest nach der Lektüre von José Manuel Prietos „Die kubanische Revolution und wie erkläre ich sie meinem Taxifahrer“ kommen. Der etwas sperrige Titel, der zunächst ein bisschen an Ratgeberliteratur erinnert, ist vielleicht etwas irreführend, denn um eine einfache und kompakte Erklärung der Geschehnisse, Zusammenhänge und Hintergründe der kubanischen Revolution geht es natürlich nicht. Der Suhrkamp Verlag ist aber auch nicht gerade dafür bekannt, Kurzlektüren für Taxifahrten zu verlegen.

Prieto spielt mit dem Titel vielmehr auf eine Situation an, die sich offenbar ständig wiederholt und die ihn schließlich dazu bewogen hat, das vorliegende Buch zu schreiben: Sobald er in ein Taxi dieser Welt steigt und sich als Kubaner zu erkennen gibt, sieht er sich dem Begeisterungssturm des Taxifahrers ausgesetzt, der enthusiastisch „Fidel Castro“, „Che“ oder „Revolution“ schreit. Das wirkt auf ihn wohl nicht nur befremdend, sondern löst bei ihm regelrechten Ärger darüber aus, auf welch banale Begriffe die kubanische Revolution immer wieder reduziert wird. All das, was er den Taxifahrern dann gerne entgegnen würde, hat er nun niedergeschrieben.

Der 1962 in Havanna geborene Schriftsteller Prieto lebt seit vielen Jahren nicht mehr in seinem Heimatland, sondern mittlerweile in den USA, und in seinen Romanen, die in Russland, der Türkei oder Finnland spielen, kommt die Karibikinsel nicht vor. Umso energischer und emotionaler fällt nun sein Traktat aus. Nicht auf Statistiken, Zahlen und wissenschaftliche Studien beruft er sich. Es handelt sich vielmehr um seine ganz persönliche Sicht auf die Dinge, in der Ironie bisweilen in Verbitterung umschlägt.

Prietos Anliegen ist durchaus verständlich, bedenkt man, wie viele Che Guevaras als T-Shirts oder Poster weltweit verkauft werden, reduziert auf ein Symbol für jugendliche Rebellion, als Zeichen des Anti-Establishment. Gerne wird dabei die harte Wirklichkeit verdrängt, die Prieto wieder in Erinnerung ruft: dass viel Blut floss, dass Che Guevara wie auch der Comandante „Doktor Fidel Castro“, die sich offenbar ins kollektive Gedächtnis (nicht nur der Taxifahrer) eingeschrieben haben, im Grunde Massenmörder sind, und dass nach wie vor auf Kuba vor allem Angst und Propaganda regieren. Er geht den Fragen nach, wie es zur kubanischen Revolution kommen konnte, ob sie in der Form, wie sie sich ereignet hat, wirklich nötig war, oder ob es nicht auch andere Wege hätte geben können. Und trauert darüber, welche Spuren sie bei den Kubanern hinterlassen hat. Um es kurz zu machen: Prieto ist alles andere als ein Anhänger der kubanische Revolution und des kubanischen Sozialismus, und das schmettert er seinen Lesern regelrecht um die Ohren.

Die Stärke des Buches ist, dass Prieto Privates, kleine Anekdoten auch aus seiner Kindheit einbaut. So ist er zum Beispiel heute noch darüber erschüttert, dass die Karibikinsel durch die Propagandaso abgedichtet war, dass er nur mit zweijähriger Verspätung und durch einen Schulhofstreit von der ersten Mondlandung erfahren hatte. Das Persönliche, Emotionale wird dem Buch aber auch zum Verhängnis. Es ist, wie gesagt, eine persönliche Stellungnahme, die aber – mag sie inhaltlich durchaus Bestand haben – argumentativ und rhetorisch leider etwas anstrengend ist. Die Sprache wirkt sehr gestelzt und pathetisch, manchmal fast altertümlich, bisweilen sogar überheblich. Prieto liebt Superlative und Metaphern so sehr, dass man zwischendurch fast vergisst, worum es eigentlich geht. Was seinem Diskurs Stärke verleihen soll, macht alles zu einem etwas unangenehmen pathetischen Brei, denn statt Zusammenhänge zu verdeutlichen, kleidet er vieles einfach in ein üppiges Bilderkleid. Da wird Kuba mal zum Teenie, der sich von seinen Adoptiveltern (den USA) gegen deren Willen emanzipiert, dann zur undankbaren Frau, die die Scheidung einreicht, sich dann die Russen zum Liebhaber nimmt. Auch krank wird Kuba, erleidet mit dem Untergang der UdSSR einen Herzinfarkt, und muss als alter Greis dann doch zur Krücke des ökonomischen Liberalismus greifen. Wie so oft wäre also weniger mehr gewesen. Prietos Taxifahrer würde das Buch wohl eher verwirren als überzeugen.

Titelbild

José Manuel Prieto: Die Kubanische Revolution und wie erkläre ich sie meinem Taxifahrer.
Übersetzt aus dem Spanischen von Susanne Lange.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2008.
218 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-13: 9783518125595

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