Rembrandts Sehnsucht

Margriet de Moors großartiger Roman über die Kunst und den Tod

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im Zentrum von Margriet de Moors’ Roman steht der Maler und Grafiker Rembrandt Harmenszoon van Rijn (1606-1669), bekannt unter dem Namen Rembrandt. Der Maler ist zu Beginn des Romans um die Fünfzig, vielleicht älter. Es wird nicht genauer beschrieben. Seine Frau ist an der Pest gestorben, Amsterdam ist im Griff der Seuche, die Auswirkungen der vielen Todesfälle greifen in das alltägliche Leben ein. Rembrandts wirtschaftliche Situation ist katastrophal, seine Gläubiger haben eine Insolvenz eingeleitet und der gesamte Hausstand steht zur Versteigerung an. Die persönliche und psychische Situation des Malers ist kritisch.

Die zweite Protagonistin des Romans, im Titel als „Mädchen“ angekündigt, ist eine aus Dänemark stammende junge Frau, die der holländischen Sprache kaum mächtig ist. Die ältere Schwester des Mädchens ist ausgewandert und hat sich vermutlich in Amsterdam eine Stelle als Hausmädchen gesucht. Das Mädchen folgt ihr nach Amsterdam, findet ihre Schwester nicht und mietet sich bei einer Pensionswirtin ein. Als sie nicht rechtzeitig eine Arbeitsstelle bekommt, wird sie von ihrer Pensionswirtin zur Prostitution genötigt und erschlägt schließlich diese im Streit um die ausstehende Miete. Durch die Amsterdamer Justiz verurteilt, wird das Mädchen schließlich auf dem Marktplatz hingerichtet. Erst zu diesem Zeitpunkt kreuzen sich die Wege des Malers und des Mädchens – zumindest indirekt. Denn das eigentliche Treffen der beiden wird erst nach dem Tode des Mädchens stattfinden.

Der Sohn des Malers beobachtet die Hinrichtung des Mädchens und berichtet anschließend seinem Vater die Einzelheiten. Der Maler ist beeindruckt von der Auflehnung und dem verweigerten Reuebekenntnis des Mädchens kurz vor der Hinrichtung im Angesicht des Todes. Rembrandt sucht schließlich das Gelände auf, wo die Leichen der Hingerichteten aufgehängt werden, da ihnen durch die Verweigerung eines Reuebekenntnisses eine Erdbestattung verweigert wurde. Dort wird Rembrandt das Mädchen zeichnen und seine Schaffenskrise überwinden.

Um diese seltsame Begegnung in einer glaubhaften Geschichte zu beschreiben, hat Margriet de Moor ein detailliertes Zeitbild gezeichnet, basierend auf genauem Quellenstudium und bis in die alltäglichen Besonderheiten des individuellen Lebens hinein. Dadurch entsteht ein authentischer Eindruck von einem Alltag im 17. Jahrhundert, der auch das Interesse des Malers an dem Mädchen verständlich macht. Möchte man etwas über die Kunst, den Antrieb zu Malen, die Faszination und Authentizität von Natur erfahren, ist dies das richtige Buch. Aber auch wenn es um Beziehungen geht, die einem auf den ersten Blick seltsam erscheinen – auch dann sollte man diesen Roman lesen, der letztendlich vom Tod berichtet. Willkommen in der Welt des 17. Jahrhunderts des Malers Rembrandt!

Titelbild

Margriet de Moor: Der Maler und das Mädchen. Roman.
Aus dem Niederländischen von Helga von Beuningen.
Carl Hanser Verlag, München 2011.
299 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783446236387

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