Handwerkliches Nachschlagewerk

Uwe Jochum hat eine kleine, kompakte Geschichte der Bibliothek vorgelegt

Von Ulrike KochRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ulrike Koch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

3.500 Jahre vor unserer Zeitrechnung wurde die Schrift erfunden, und beinahe genauso alt ist die Geschichte der Bibliotheken und Archive, die die entstehenden Schriften sammelten. Die erste systematische Sammlung geht auf den assyrischen Herrschen Assurbanipal zurück, der im 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung gelebt hat. Bis heute ist das „Gedächtnis der Menschheit“, wie Gottfried Wilhelm Leibniz und Arthur Schopenhauer die Bibliothek nannten, ein wichtiger Ort, der neue wie alte Medien speichert. Obwohl die Bibliothek schon mehrmals totgesagt wurde, steigt sie wie Phönix aus der Asche immer wieder neu empor. Einen wesentlichen Anteil daran hat auch das Internet, das eine bessere Vernetzung ermöglicht und auch für neue Projekte, die eine Mischung aus digitalen und analogen Medien probieren, eine Basis liefert.

Einen breiten Überblick über die Entstehung von Bibliotheken liefert der Fachreferent für Allgemeine Literaturwissenschaft, Amerikanistik, Anglistik, Germanistik, Musikwissenschaft & Philosophie Uwe Jochum, der an der Universität Konstanz lehrt und arbeitet. Angefangen beim alten Orient bis zu den hybriden Bibliotheken Ende der 1990er-Jahre durchleuchtet Jochum in seiner Bibliotheksgeschichte die wichtigsten Stationen der Bibliothek und ihrer Entstehung. Klein ist die von Jochum zusammengetragene Bibliotheksgeschichte wirklich. Der Platz in dem doch recht schmalen Reclam-Bändchen ist beschränkt, wodurch Jochum die Entstehung der Schrift, die wesentlichen für die Entstehung der Bibliothek ist, als bekanntes Wissen voraussetzen muss und mediale Umbrüche wie den Durchbruch des gedruckten Buches nur streifen kann.

Für bibliothekswissenschaftlich relevante Daten wie die BesucherInnenfrequenz oder die Anzahl der Werke bleibt ebenfalls kein Raum. Genauso wenig werden einzelne Sammlungen oder speziell eingerichtete Bibliotheken in den Blick genommen.

Der beschränkte Platz zwingt Jochum auch dazu, Epochen wie das Hoch- und Spätmittelalter oder Barock und Aufklärung in einem Kapitel zusammenzufassen. Das ist vor allem deswegen schade, da dadurch spannende Detailinformationen auf der Strecke bleiben und kein Blick in die Tiefe möglich ist. Eine Metaanalyse über die Bedeutung der Bibliothek bis heute bleibt ebenso ausgespart.
Irritierend sticht hervor, dass Jochum der Bibliothek im Nationalsozialismus ein eigenes Kapitel widmet, während andere Epochen zusammengefasst und verkürzt dargestellt werden. Anschließend wechselt er abrupt zum Kapitel der hybriden Bibliothek, ohne dort jedoch – obwohl das Werk 2007 in der dritten und verbesserten Auflage erschienen ist – wirklich auf das Thema Internet und dessen Potentiale und Gefahren einzugehen.

Trotz fehlender Details liefert Jochum aber einen guten Überblick über die Entstehung der Bibliothek. Dank des ausführlichen Registers ist die „Kleine Bibliotheksgeschichte“ ein handliches Nachschlagewerk. Die ausführliche Bibliografie im Anhang ermöglicht es zudem Details, die in Jochums Übersicht keinen Platz gefunden haben, nachzuschlagen. Eine ausführliche Auseinandersetzung ist mit dem Buch nicht möglich, aber als Einstiegslektüre sehr empfehlenswert.

Titelbild

Uwe Jochum: Kleine Bibliotheksgeschichte.
Reclam Verlag, Leipzig 2007.
280 Seiten, 6,80 EUR.
ISBN-13: 9783150176672

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