Städtegeschichtliche Zeitreise der besonderen Art

Alexander Kluy hat einen außergewöhnlichen Reiseführer auf den Spuren der jüdischen Bewohner der französischen Hauptstadt Paris veröffentlicht

Von Barbara TumfartRSS-Newsfeed neuer Artikel von Barbara Tumfart

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Paris, die große Metropole an der Seine, alljährlicher Anziehungspunkt zahlreicher Touristen, Mekka für alle Romantiker und frisch Verliebte, modernes Zentrum für Kultur, Musik und Architektur, wird in diesem außergewöhnlichen Reiseführer des deutschen Autors und Journalisten Alexander Kluy von einem ungewöhnlichen, aber umso interessanteren Blickwinkel aus betrachtet. Als Neuerscheinung in der Reihe „Stadtreisen zum Jüdischen Europa“ (bereits in dieser Reihe erschienen sind entsprechende Führer zu Wien, Amsterdam, London und München) des Wiener Verlags Mandelbaum entführt das 320 Seiten starke Buch den kulturinteressierten Leser an jene Orte, Häuser, Institutionen und Plätze, die für das jüdische Leben und die jüdische Bevölkerung der letzten zwei Jahrhunderte von Bedeutung waren.

Die Einführung zu Beginn des Reiseführers bietet einen kurzen aber höchst informativen Überblick über die Geschichte der Juden in Frankreich seit dem 6. Jahrhundert, die, wie in so vielen anderen Ländern Europas von einem ständigen Wechsel zwischen Akzeptanz, Ablehnung und Ausbeutung durch die ortsansässige Bevölkerung geprägt war. Der Hauptteil des Buches ist in die zwanzig Arrondissements der französischen Hauptstadt unterteilt, mit Stadtplänen, zahlreichen Zeichnungen und Fotografien ausgestattet und ermöglicht eine abwechslungsreiche Zeitreise durch die jüdische Geschichte der Stadt anhand einer Fülle an gut recherchierten und ausnehmend ansprechend dargestellten Biografien jüdischer Künstler, Unternehmer, Philosophen und Literaten. Der Autor beschäftigt sich hierbei aber nicht nur mit den in Paris geborenen Juden, sondern vielmehr auch mit jener Vielzahl an Durchreisenden, an Exilsuchenden oder jenen, die aus beruflichen oder privaten Gründen für einen gewissen Zeitraum in der französischen Hauptstadt weilten. Die LeserInnen begleiten kulturelle Größen wie Gertrude Stein, Serge Gainsbourg, Camille Pissaro, Heinrich Heine, Ludwig Börne, Sigmund Freud, Joseph Roth, Billy Wilder und viele andere zu ihren zeitweiligen oder dauerhaften Wohnorten in Paris, wobei die sich ständig ändernde zeitliche Perspektive aufgrund der örtlichen Untergliederung der einzelnen Kapiteln absolut nicht stört, sondern vielmehr eine abwechslungsreiche Lektüre garantiert. Zum Abschluss bietet der Band neben einem kleinen Glossar jüdischer Ausdrücke, weiterführenden Literaturhinweisen und einem umfassenden Personenindex auch eine aktuelle Auflistung von Einrichtungen jüdischen Lebens im heutigen Paris, das mit über 300.000 Mitgliedern die größte jüdische Gemeinde Europas beherbergt.

Der Band bietet eine außergewöhnliche städtegeschichtliche Tour d’ Horizon sowie eine Spurensuche in den Biografien namhafter Vertreter der jüdischen Bevölkerung und der jüdischen Besucher von Paris, die eine neue, höchst interessante Facette der französischen Metropole aufdeckt.

Titelbild

Alexander Kluy: Jüdisches Paris.
Mandelbaum Verlag, Wien 2011.
311 Seiten, 22,90 EUR.
ISBN-13: 9783854763581

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