Und noch eins

Erzählerische Ökonomie ist nicht Sache von C. J. Box und Gerechtigkeit ist eine blutige Angelegenheit. Dennoch liest man „Blutschnee“ mit Vergnügen

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Berge im Nordwesten der USA sind berühmt und berüchtigt. Hoch, im Winter sehr kalt und mit sehr wenig Menschen. Dafür gibt es wohl noch einige Wildtiere, die in Europa erst wieder aus Russland einwandern müssen. Überhaupt ist der Nordwesten der USA so etwas wie die Idee einer unberührten Berglandschaft, und gerade das macht ihn so besonders attraktiv. Die Natur spielt eine eigene, manchmal eher unangenehme Rolle, Menschen und damit Romanpersonal sind rar. Fremde sind eben fremd und wenn dann mal etwas passiert, dann geht es auch richtig zur Sache: Extrem, blutig und grausam, alles was eben so zur Natur passt.

In diesem Szenario hat C. J. Box seinen Helden Joe Pickett samt Familie platziert: In den Bighorn-Mountains ist Pickett Jagdaufseher, er muss sich um die Jagd und die Jagdsünder kümmern, was heißt, er sorgt dafür, dass jeder genau so viel Wild jagt, wie er darf, wenn mehr, dann gibt es eine Strafe. Er beobachtet Wild und kümmert sich um die Bereinigung der Wildschäden, die gerade in den strengen Wintern bei den Farmern der Umgebung zunehmen. Pickett ist ein ruhiger Mann und beständig. Seine Familie, drei Kinder und seine Frau, schätzt das, und auch sonst ist er in der Region angesehen.

Mit dem Sheriff klappt es nicht ganz so gut, aber Repräsentanten zweier verschiedener Institutionen und Behörden sind sich in den USA ja nie grün, wie wir aus zahlreichen Krimis wissen.

Pickett nun gerät in einen spektakulären Mordfall samt einbrechendem Winter: Auf einer seiner Patrouillen stöbert er einen Jagdfrevler auf, der statt des einen erlaubten eine ganze Herde Wapitis niederschießt. Der Jagdfrevler ist allerdings nicht irgendwer, sondern ein Beamter der Bundesforstverwaltung, der aus irgendeinem Grund durchzudrehen scheint. Pickett verhaftet den Mann, der kann entfliehen, und als Pickett ihn endlich wieder stellen kann, ist er von zwei Pfeilen an einen Baum genagelt und außerdem wurde ihm die Kehle durchschnitten. Der Mann stirbt auf der Fahrt ins Tal.

Schnell schaltet sich eine Sonderermittlerin der Forstverwaltung in die Ermittlungen ein, die wegen Gewalt gegen Bundesbehörden ermittelt und eine konzertierte Aktion behauptet. Einen Verdächtigen gibt es auch bald, der Mann jedoch streitet nicht nur den Mord ab. Er bittet Pickett, ihm zu helfen. Die Sonderermittlerin sei wahnsinnig, was man glauben kann oder nicht.

Pickett glaubt ihm und die Ermittlung beginnt. Und das auf klassische Weise: Pickett wird aus allen Unternehmungen von Sheriff und Sonderermittlerin herrausgehalten, er steht zudem besonders unter Druck, als seine Stieftochter von der leiblichen Mutter zurückgeholt wird und just in dem Camp haust, das als Hort des Verbrechens angesehen wird.

Eine Gruppe, die sich die „Souveränen“ nennt, fährt einen strikten Anti-Regierungskurs und hat sich im Forst auf einem Campingplatz niedergelassen. Als nun der erste Verdächtige ausscheidet, ist die Gruppe dran, auf die sich Sondermittler, ein FBI-Kommando und der Sheriff einschießen – im wahrsten Sinn des Wortes.

Das Ganze wird zum Desaster, wie zu erwarten war, nur die Verantwortlichen wissen sich zu drücken, wie man gleichfalls ahnte.

Das ist allerdings ohne Pickett gedacht, der dies mit größtem Nachdruck zu verhindern versucht, und dabei, dank der Hilfe eines gewaltbereiten Freundes auch erfolgreich. Ein weiteres Mal, in dem die Gerechtigkeit über den Apparat siegen muss, und ein weiteres Mal, in dem der Gerechte das Gesetz nicht brechen darf und sich deshalb eines eigenmächtigen Gesetzesbrechers behilft.

Das ist bedenklich und eigentlich gar nicht zu beschönigen, aber dabei kann man es auch belassen, denn Box’ Erzählung ist vor allem durch ihr überbordende Fülle bemerkenswert, nicht für ihre intellektuelle Qualität. Wo sich die meisten Krimis damit begnügen würden, den wahren Täter (Mord 1) zu entlarven, geht Box noch viel weiter und baut eine weitere Geschichte ein. Das wird wie ein Haus, das über Generationen immer neuen Bedürfnissen angepasst wurde, und dagegen kann man nichts sagen, weil es so ungemein praktisch ist. Außer eben, dass weniger auch hätte mehr sein können. Aber nicht im Falle Box, in dem das Mehr eben auch mehr Lektüre ist – und die ist unterhaltsam.

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C.J. Box: Blutschnee. Thriller.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Andreas Heckmann.
Heyne Verlag, München 2011.
415 Seiten, 8,99 EUR.
ISBN-13: 9783453434332

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