Dämmerung, still und traurig

Erzählungen von James Salter

Von Charlotte IndenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Charlotte Inden

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es ist die enttäuschte Hoffnung, die seine Erzählungen so anrührend macht. Seine Protagonisten suchen nur das kleine Glück im Leben, scheitern aber gleichwohl. Das Scheitern ist das Bindeglied von James Salters Erzählungen in der Sammlung "Dämmerung".

Still und traurig kommen sie daher. "Am Strande von Tanger" verliert Nico ihrer Sicherheit und ohne Sicherheit ist sie nichts. Eine alte Freundin entfremdet ihr durch ihre bloße Anwesenheit den Geliebten. Nicos kindliches Vertrauen ohne Arg ist irreparabel zerstört.

Zerstört auch Jane: Innerhalb von "Zwanzig Minuten" ziehen Szenen ihres Lebens an Jane vorüber. Sie hatte einen Reitunfall, bleibt hilflos liegen und hegt Hoffnung auf Rettung.

Frank und Alan schauen nie zurück, sie sind erfolgreiche junge Anwälte, leben im Wohlstand unter dem Zeichen der "American Express". Doch an Gefühlen sind sie arm. Frank vertreibt durch seine Kälte Frauen, die ihn lieben, und Alan eifert ihm nach. Schließlich sind sie wie Diebe. Selbst ohne Glück, stehlen sie das Glück einer jungen Frau.

Truus aus Holland ist Au-pair Mädchen an den "Fremden Küsten" Englands. Auch ihr wird etwas unwiederbringlich genommen. Der kleine Christopher liebt sie und sie liebt den dunklen Fremden. Doch dieser nutzt ihre Gefühle aus. Christophers Mutter findet die pornographischen Fotos. Christopher und Truus, das Kind mit dem erwachsenen und die Erwachsene mit dem kindlichen Gemüt, müssen sich trennen - ohne zu verstehen, warum.

Dann großes "Kino" der Eitelkeiten. Die Schauspieler Guivi und Anna haben sich selbst in ihren Rollen verloren. Manchmal hat man unverdientes Glück, ist Teil einer einzigartigen Einstellung, die Filmgeschichte macht. Aber was ist mit dem Glück im wirklichen Leben? Der Drehbuchautor Lang zeigt kein Talent, ein Skript für sein Lebensglück zu verfassen. Alle sind auf ihre Weise einsam, wie Reemtsma, der die "Verlorenen Söhne", die Ehemaligen von der Militärakademie, wiedersieht und wie Jahrzehnte zuvor nicht zu ihnen gehören kann. Oder wie P, der Schriftsteller, der auf seiner "Via negativa" dem Ruhm hinterherläuft.

Oder wie Mrs. Chandler in der "Dämmerung", deren Geschichte dieser Sammlung Salters ihren Namen gab. Mrs. Chandler ist "eine gute Frau, die jetzt niemand mehr will." Die Kind flügge geworden, der Mann hat eine andere kennengelernt. Sie bleibt zurück in dem Haus, das einmal ihre Seele war und jetzt so leer ist, wie sie sich fühlt. Zurückgelassen in der Dämmerung, der Stunde der Ruhe, in der die Menschen mit sich alleine sind.

Das haben James Salters Protagonisten gemein: Egal welchen Alters oder welchen Standes werden sie in der Stunde der Dämmerung verletztlich. Stehen sich selbst gegenüber und ringen mit dem, was sie besitzen oder nicht. Unerbittlich entblößt Salter ihre Seelen in diesem Zustand, mitfühlend für das Weh und Ach der Menschen.

Überraschend stets der Schluss jeder Erzählung, der Hinweis darauf, was ihnen geschehen wird. Hier erfolgen keine Wendungen in der Handlung, hier erfolgt ein Aneinanderfügen von Sätzen, die inhaltlich oft unzusammenhängend und nie Conclusio der Erzählungen sind. Die vielmehr nicht wichtig scheinen, die Nebensächliches berichten, die Spannung auflösen und das Scheitern der Protagonisten alltäglich werden lassen.

Dennoch ist es nicht weniger tragisch. Und wenn sie wieder still und traurig gescheitert sind, möchte man weinen.

Titelbild

James Salter: Dämmerung.
Berlin Verlag, Berlin 1999.
160 Seiten, 18,40 EUR.
ISBN-10: 3827000971

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