Von Ernst Moritz Arndt bis Quentin Tarantino – Søren Fauth, Kasper Green Krejberg und Jan Süselbeck haben einen emotionswissenschaftlichen Band zu Repräsentationen des Krieges herausgegeben

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien: Die Serie der Neuen Kriege, wie sie Herfried Münkler genannt hat, reißt nicht ab. Gleichzeitig stellen wir fest, dass sich auch die mediale Repräsentation dieser grausamen Ereignisse derzeit geradezu rasend weiterentwickelt. Wir leben in einer Zeit, in der die Leichtigkeit der Herstellung von Bildern durch Digital-Kameras und iPhones sowie deren weltweite Veröffentlichung im Internet das Informations-Monopol von Zeitungen und TV-Sendern ausgehebelt hat. Das Internet hat sich damit zu einem unabhängigen Archiv des Bilder-Grauens entwickelt, in dem jeder, der möchte, alles sehen kann, zu jeder Zeit.

Der vorliegende Band beantwortet die emotionswissenschaftliche Frage nach der Genese der Gefühle, die verschiedene historische Formen von Kriegsdarstellungen auslösten, die diese provozieren sollten bzw. eventuell noch heute bei ihren Rezipienten zu erzeugen vermögen. Die einzelnen Beiträge zielen dabei auf die Erhellung der emotionalen Effekte verschiedenster Repräsentationen des Krieges seit dem 18. Jahrhundert in der Literatur und den audiovisuellen Medien bis heute – wobei jeweils geklärt werden soll, wie sie die von ihnen anvisierten affektiven Auswirkungen auf ihre Rezipienten evozieren bzw. ob ihnen dies gelang oder gelingt.

Internationale Beiträgerinnen und Beiträger aus der Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaft untersuchen sowohl klassische Dramen aus der ‚Sattelzeit‘ um 1800 (Mareen van Marwyck), Kriegslyrik aus der Ära der Befreiungskriege (Christoph Jürgensen) als auch ‚postdramatische‘ Theaterstücke des 21. Jahrhunderts (Bernd Blaschke). Hinzu kommen Beiträge zu internationalen Rezeption der Tagebücher von Shoah-Opfern (Debra Kelly), zu alternativen Formen der Kriegsdarstellung bei W. G. Sebald und Michael Haneke (Kasper Green Krejberg), zur literarischen Darstellung des Bosnienkriegs (Jürgen Brokoff, Andrea Schütte) oder auch zur ‚filmischen‘ Emotionalisierungstechnik des 2008 erschienenen Romans „Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten“ des zuletzt kontrovers diskutierten Autors Christian Kracht (Jan Süselbeck).

Carl von Clausewitz’ esoterisch anmutende Kriegstheorien (Anders Engberg-Pedersen) und das Phänomen militärischer Blogs unserer Tage (Mikkel Bruun Zangenberg) werden ebenso analysiert wie weltbekannt gewordene Kriegsfotografien aus dem Spanischen Bürgerkrieg oder aus Vietnam (Thomas F. Schneider). Ein besonderer Schwerpunkt des Bands liegt auf dem Genre des (Anti-)Kriegs- bzw. Post-9/11-Films vom U-Boot-Genre über Steven Spielbergs „Savin Private Ryan“, M. Night Shyamalans „The Happening“ bis hin zu Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ und James Camerons „Avatar“ (Hermann Kappelhoff, Lars Koch, Linda Maria Koldau, Manuel Köppen, Gerhard Jens Lüdeker und Klaus Theweleit).

Grundsätzliche Überlegungen zu kriegerischen „Kulturtechniken der Sympathielenkung“ (Thomas Anz) sowie zur komparatistischen Perspektive auf die emotionalen Ambivalenzen internationaler Nachkriegsromane aus Ländern wie Südafrika oder Südkorea (Svend Erik Larsen) runden den Band ab.

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Titelbild

Søren R. Fauth / Kasper Green Krejberg / Jan Süselbeck (Hg.): Repräsentationen des Krieges. Emotionalisierungsstrategien in der Literatur und in den audiovisuellen Medien vom 18. bis zum 21. Jahrhundert.
Wallstein Verlag, Göttingen 2012.
375 Seiten, 29,90 EUR.
ISBN-13: 9783835310612

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