Rasanz als Maß

James Sallis bringt in „Driver 2“ alles zuende

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Rasante Krimis haben einen Vorteil, der für Schmökerleser ihr eigentlicher Nachteil ist: sie kommen schnell zu Potte und leider eben auch zum Ende. Allerdings wäre das Tempo, das sie einschlagen, auch über 500 Seiten nicht durchzuhalten. Dafür sind sie zu brutal, zu schnell aufs Wesentliche aus und zu schnell mit allem durch, was erledigt werden muss. Ihr kalte Präzision, die Fokussierung aufs Wesentliche und der Verzicht auf alles, was ablenkt, macht sie aus. Und das ist auch gut so.

Denn der Verzicht und die Fokussierung macht sie zu unerhört starken Exempeln modernen Erzählens. Nicht die Lebenswelt der Akteure interessiert hier, sondern der enge Zusammenhang von Handlungen und Ereignissen. Der Einzelne wird in diesen Texten – auch als ihr Protagonist – auf seine Funktion reduziert. Und je mehr er sie anzunehmen versteht, desto stärker wird die Figur. Der Verzicht auf die je individuelle Ausstattung gerät damit zum Königsweg für die Aufwertung der Figuren und ihre Aussagekraft.

Es zugleich der kalt kalkulierende, dabei im intimen Umkreis empathische Typus, der diese neueren hard boiled Krimis auszeichnet. Die Gewalt, die sie einsetzen, ist immer auf Wirkung fokussiert und sie dient immer nur der Sicherung der eigenen Existenz oder der des engeren Umkreis; der Frauen, der Freunde, der Kinder.

Es sind so gesehen ungemein kompetente Figuren, was angesichts der Wirkungslosigkeit individuellen Handelns in der Moderne ein hohes Gut ist. Mit „Driver“ bewegen wir uns zudem im Kernbereich des Modernen, ist der Protagonist doch nicht nur ein Killer, wenn auch einer von den Guten, sondern auch und im eigentlichen Sinne ein außergewöhnlicher Autofahrer, einer von denen, die die waghalsigen Stunts fahren, die man später dann im Film sehen kann.

Gerade das aber ist schon wieder sprechend, denn die Stuntmänner sind die, die ihre Fähigkeit anderen zur Verfügung stellen und die anonym bleiben. Nicht gesehen, nicht bekannt und doch diejenigen, die eigentlich die Kompetenzträger sind. Aber es ist auch in diesen Kreisen nicht der König, der handelt, sondern sein Stellvertreter.

Das ändert sich erst dann, wenn der Stuntmann, der Stellvertreter selbst, angegriffen wird. In „Driver“ war es der Zufall und keine Absicht, die Driver zum Handeln zwang. Die Mafia beklaut man nicht, das haben wir aus zahllosen Krimis gelernt. Das Ende von „Driver“ schien aber für einen Moment eine solche Regel aufheben zu wollen.

Nun aber, in „Driver 2“, müssen wir lernen, dass es kein Entkommen gibt, es gibt kein Jenseits der Gesellschaft, kein Untertauchen in der Anonymität und kein Überleben. Allerdings ist es bis dahin ein Weg – kein langer, wie ja bereits gesagt.

Am Anfang steht der Mord an Drivers Freundin Elsa, die einem Angriff erliegt, der Driver zu gelten scheint. Eines Tages tauchen zwei Killer auf, die angreifen. Driver schaltet zwar beide aus, aber die Frau ist tot.

Driver überlebt, die Angriffe aber hören nicht auf. Ganz im Gegenteil, es tauchen immer neue Auftragskiller auf, die es offensichtlich auf ihn abgesehen haben. Er folgt der Spur, die dadurch gelegt wird, zu ihren Anfängen zurück, und es ist wiederum eine Schuld, die keine ist, die am Anfang dieser verhängnisvollen Kette von Attacken steht, die am Ende nicht abgewehrt werden können. Damit verrät man nichts.

Aber damit nicht genug. Hinter dieser ersten Schuld steht die zweite, alte, die ihn noch aus dem ersten Band verfolgt und die nie aufhören wird zu wirken. Damit aber gerät Driver in eine Endlosschleife von Angriffen, die nur mit seinem Tod enden kann. Er kann davor weder wegrennen und wegfahren, so kompetent er sich auch auf der Flucht bewegt und so umfassend er sich auch mit Auto auskennt. Er kann nicht mal mehr rasten, was zugleich immer bedeutet, dass es für ihn keine Nähe, vulgo Beziehung zu einer Frau geben kann. Sich diesen empathischen Killern zu nähern, bedeutet immer auch, sein (ihr) Leben zu riskieren. Und damit soll es irgendwann einmal genug sein.

Am Ende dieses erneut rasant und mit großem Herz und klarem Verstand erzählten Romans steht erneut eine Autofahrt, aber es steht zugleich ein Ende aus, aus dem man folgen kann, dass es ein „Driver 3“ nicht geben kann. Das ist auf eine Art sehr schade, denn so synthetisch dieser Protagonist auch ist, so sehr er auch auf dem literarischem Reißbrett entworfen worden ist, so sympathisch ist er. Ja, Rache kann süß sein und der Rächer sympathisch, wenn auch nur im Kriminalroman. Und wir sind hier in einem Jenseits einer Gesellschaft angekommen, in der es außer denen, die sich gegenseitig das Leben nehmen wollen, eigentlich niemanden mehr gibt. Das ist der wievielte Kreis der Hölle?

Titelbild

James Sallis: Driver 2.
Übersetzt aus dem Englischen von Jürgen Bürger und Kathrin Bielfeldt.
Liebeskind Verlagsbuchhandlung, München 2012.
155 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-13: 9783935890991

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