Akademiker, Adlige und Wurstfabrikanten

Zur Neuauflage Alice Berends humoristischen Roman „Die Bräutigame der Babette Bomberling“

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Der Mensch hat’s nicht leicht.“ Damit ist eigentlich schon alles gesagt, und man könnte Alice Berends Roman „Die Bräutigame der Babette Bomberling“ nach diesem ersten Satz gleich wieder zuklappen, wenn – ja wenn er nicht auch noch nach rund einhundert Jahren noch ebenso kurzweilig, unterhaltsam und amüsant wäre wie bei seinem Erscheinen.

Und außerdem ist mit dem Eröffnungssatz eben doch noch längst nicht alles gesagt. Denn Berend macht keine überflüssigen Worte. Dafür nimmt sie die Lesenden auf dem Rücken eines mit den Schwingen des Humors beflügelten Pegasus mit auf eine Reise in das Heim der Familie ihrer Titelheldin, deren Angehörigen einige der wichtigsten Reisebegleiter sind. Da wäre zuvorderst einmal Babette selbst, sodann ihre Eltern: der Sargfabrikant August Bomberling und seine Frau Anna, die beide aus kleinen Verhältnissen stammen. Doch die zündende Idee des damals noch ledigen Tischlergesellen, Särge zu produzieren, hob ihn und seine ihm schon bald darauf angetraute Anna in die finanziell bestens gestellten Kreise des Berlins der Vorkriegszeit. Denn gestorben wird immer und einen Sarg braucht schließlich jeder. Das nun ausgerechnet der Erste Weltkrieg das florierende Geschäft bedroht, ist eine der zahlreichen überraschenden Pointen des Romans.

Als Familienmitglied wäre des weiteren Babettes zwar studentischer, aber kaum studierender Bruder Herrmann zu nennen. Zum sozusagen weiteren Umkreis zählen natürlich die obligate und nicht minder wichtige beste Freundin sowie etliche potentielle Bräutigame, unter denen besonders der Bruder dieser Freundin als fescher Leutnant hervorsticht. Allerdings hat Babette den Männern und der Ehe nach einer ernüchternden Erfahrung mit einem Zwiebel essenden Schauspieler ein für alle Mal entsagt.

Dafür aber ist ihre Mutter umso stärker daran interessiert, Babette unter die Haube zu bringen. Ein Akademiker oder ein Adliger sollte es allerdings schon sein. Vielleicht auch ein besonders reicher Wurstfabrikant. Aber doch besser irgendjemanden, der einen klingenden Titel vor den Namen des siebzehnjährigen Töchterleins setzt. Und sei es auch der glatzköpfige Herr, der demnächst seinen fünfzigsten Geburtstag begehen wird. Denn anders als ihr Mann, den auch schon einmal „eine Wut gegen das Vornehmtun überfällt“, das ihm sein finanzieller Erfolg aufnötigt, möchte die Mutter in Person ihrer Tochter noch schwindelndere gesellschaftliche Höhen erklimmen.

Nun werden die mütterlichen Verheiratungsabsichten durch die Einträglichkeit des Unternehmens von Herrn Bomberling zwar befördert, doch durch die Art seines Geschäftes auch wieder beeinträchtigt. Wer möchte schon an die Endlichkeit des Daseins erinnert werden, wen es gilt, zarte Bande für die Ewigkeit zu knüpfen. Andererseits zieht das Geld der neureichen Bomberlings die Aufmerksamkeit allerlei zwielichtiger Gestalten auf sich, wie etwa die einer ebenfalls sehr geschäftstüchtigen Heiratsvermittlerin.

Natürlich kommt alles ganz anders als von den Figuren erhofft und geplant; nämlich genau so wie von den Lesenden schon lange vorhergesehen. Das tut dem Lesevergnügen aber ebenso wenig Abbruch wie die gelegentlich unterlaufenden Eheklischees, die nun, nach einem Jahrhundert, nicht mehr viel Unheil anrichten dürften.

Mit scharfem Blick nimmt Berend die Eitelkeiten, die Heuchelei, den Selbstbetrug und die heimlichen Motive ihrer Figuren aufs Korn. Daraus speist sich ein nicht geringer Teil ihres Humors. Denn ihr Personal ist voll menschlicher Schwächen, die im übrigen oft mit dem Geschlecht der Figuren korrespondieren. Dabei schneiden gerade die Männer nicht besonders gut ab. Abgesehen vielleicht von dem Herrn Papa und einem gewissen Paul.

Nun zögert Berend nicht, ihre Figuren zum Vergnügen des Publikums auch einmal bloßzustellen, wie etwa Babettes Mutter, die sich auf Reise angesichts „gewaltiger Thermenmauern“ wundert, dass in Italien direkt neben einem Bahnhof eine Ruine aufgebaut wurde. Allerdings überschüttet Berend keine von ihren kleinen und größeren SünderInnen angesichts ihrer Dummheit oder seiner Schlechtigkeit mit Häme. Das würde schließlich auch den Spaß an der Lektüre nicht erhöhen, sondern trüben.

Oft kommt der Humor auch in scheinbaren Kalendersprüchen daher, deren vermeintlich schlichte Aussage Berend durch ein kleines, unscheinbares und leicht zu überlesendes Wörtchen ganz unerwartet eine originelle Wendung gibt. Oder eine banale Bemerkung wird durch den Kontext zur amüsanten Pointe gesteigert. „Die Zeit verändert“ – zum Beispiel eine Stunde Toilette das Aussehen einer Frau.

Bei all dem ist Berends Büchlein auch ein Plädoyer gegen die sogenannte Vernunft- und Versorgungsehe sowie gegen das Streben, eine ‚gute Partie‘ zu machen, und für die Liebesheirat, die – zumindest in diesem Buch – all dies zugleich ist und somit übertrifft.

„Die Bräutigame der Babette Bomberling“ erschien erstmals 1915 und war einer der zahlreichen Verkaufsschlager der Erfolgsschriftstellerinnen Alice Berend. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wurden ihre Werke von den neuen Herrschern verboten und sie selbst ins Exil getrieben. Den wahnhaften Hass der Nazis dürfte weniger der Inhalt ihrer Romane und Erzählungen, sondern die jüdische Herkunft der evangelisch getauften und zum katholischen Glauben konvertierten Autorin auf sich gezogen haben.

1938 starb Berend 62-jährig vergessen und verarmt in Florenz. Gut, dass sich der AvivA Verlag ihrer angenommen und nicht nur das vorliegende Buch nun schon zum wiederholten Male neu aufgelegt, sondern mit „Dore Brandt“ und „Der Herr Direktor“ zwei weitere Romane der Autorin in sein Programm aufgenommen hat. Auch sie sind lieferbar und zu einem ähnlich erschwinglichen Preis erhältlich.

Titelbild

Alice Berend: Die Bräutigame der Babette Bomberling. Roman.
Herausgegeben von Britta Jürgs.
AvivA Verlag, Berlin 2012.
150 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-13: 9783932338519

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