Lahme Wirtschaft

Ökonomische Gaunereien ins Krimiformat zu bringen, ist anscheinend nicht einfach, wie Monika Geiers „Müllers Morde“ demonstriert

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Frage nach den wirklichen Verbrechen, die uns alle betreffen, führt irgendwann in die Wirtschaftskriminalität: hochintelligente Spekulanten ohne Moral, gierige Hedge-Fonds-Manager, betrügerische Startup-Gründer, gewissenlose internationale Banker oder eben Hacker, die sich am Gut anderer bereichern, am liebsten ohne entdeckt zu werden. Was in früheren Zeiten unweigerlich zum „Tatort“-Mord führte, ist heutzutage lange ausgewandert und führt ein hübsches Eigenleben auch im Buchformat.

Allerdings hat dabei eine merkwürdige Kontamination stattgefunden: Das wirklich Böse veruntreut zwar noch immer Geld, verscherbelt den Massen immer noch Schrott, verstößt gegen alle Umweltverbote, überzieht ganze Kontinente mit Armut und Krieg – aber seine wahren Verbrechen unterscheiden sich kein bisschen von den üblichen Mördern des Krimigenres, ein paar Vergewaltigungen hier, diverse Serienmorde dort, und am liebsten eben noch ein paar Kindermissbräuche, gern auch im Zusammenhang mit Heimkindern, bei denen die pädophilen Neigungen mit philantropischen Anstrengungen überdeckt werden können.

Im Vergleich zu solchen Konstruktionen, die das Crimen symbolisch zu verlagern und seine lebensweltliche Schwere zu vergrößern versuchen, ist die Wahl, die Monika Geier in „Müllers Morde“ versucht, vergleichsweise unaufgeregt und gelassen. Hier geht es um einen Hacker, der als kleiner Handlanger vor der Entlarvung steht und der es vorzieht, alle seine Mitwisser umzubringen, als sich vom Hof zu machen.

Der Mann, der bei einem Energiehändler arbeitet, ermöglicht es Kriminellen, unter der Tarnung des sehr legalen Geschäfts seiner Firma, Scheingeschäfte zu tätigen, die ihnen eine Menge Geld einbringen, den Geprellten aber großen Schaden zufügen.

Man möchte sich beinahe in die Diskussion um Netzentgelte versetzt sehen, die ja zu Lasten der zahlenden Strombezieher immer höher werden, da die Ausnahmeregelungen immer weiter ausgedehnt werden. Aber dem ist hier nicht so, keine kriminelle Energie also bei den Großen in Sachen Energieverbrauch. Sondern nur einfache Kriminelle mit viel Energie und Einfallsreichtum. Es ist fast bedauernswert, dass sie beides nicht einfach auf legale Geschäfte anwenden – intelligente Geschäftsleute braucht es immer und überall. Aber wenn man nun einmal die falsche Geschäftsidee hatte? Da bleibt dann wenig.

Dieser sich selbst Müller nennende Hacker bringt nun seine Opfer auf ziemlich intelligente Art und Weise um. Den Manager seiner Firma, der eine bedenkliche  Mail auf seinem Account hat, tötet er durch Schutzgas – eine Kuh gleich mit. Die Nachbarin des Managers, die ihm aus anderen Gründen im Weg steht, regt er so lange auf, bis sie einen Herzinfarkt bekommt. Die Assistentin des Managers, die ihm bislang zur Seite gestanden hat, erschießt er – nachdem er eine Verabredung mit dem privaten Ermittler arrangiert hat, so dass dieser selbst in Verdacht gerät. Keine Sorge, das sind alles keine Geheimnisse, Geier erzählt das alles sehr offen. Und vor allem, das sind Mordvarianten, die dem kundigen Leser aus seinem Lektürehorizont allzu bekannt sind. Lammkeule, sei da nur gesagt.

Diesem mordenden Müller stellt Geier einen privaten Ermittler zur Seite, der anscheinend den Figuren der sehr erfolgreichen französischen Krimiautorin Fred Vargas nachempfunden ist: ein verkrachter Historiker, Richard Romanoff, der auch noch einen historisch vorbelasteten Namen trägt und sich einigermaßen erfolgreich mit Recherchen zum versunkenen Atlantis beschäftigt, genauer gesagt, er beschafft im Auftrag von Atlantis-Besessenen Devotionalien und anderes mehr, ist aber selbst nur einigermaßen geschickt, wenngleich nicht engagiert in der Sache.

Nun haben wir ja schon immer gesagt, dass Geisteswissenschaftler die besten Ermittler sind. Sie sind gewohnt, aus verstreuten Quellen Informationen zu gewinnen, aus denen sie eine These generieren, die sie wiederum für die Organisation ihrer Materialien und schließlich für die Lösung verwenden. Außerdem sind sie daran gewöhnt, für wenig Geld und noch weniger Anerkennung einigermaßen erfolgreich zu arbeiten und aus dem Ganzen auch noch dicke Bücher zu machen. Was gäbe es für bessere Ermittler als solche Leute?

Entweder hat also das Vorbild Vargas gefunkt oder Frau Geier kennt das Problem, jedenfalls hat sie hier den verkrachten Historiker, der denn auch vom Kompagnon des ermordeten Managers auf die Jagd geschickt wird. Nun hat Herr Romanoff wenig bis gar nichts in der Hand und will sich außerdem auch nicht wirklich in die Sache verwickeln lassen, aber der Geldmangel hat noch Leute zu ganz anderen Sachen gebracht. Im Vergleich dazu ist dieser Auftrag geradezu attraktiv.

Geier führt denn auch ihre Herren Müller und Romanoff parallel, lässt sie aufeinander stoßen, ohne voneinander zu wissen und versucht daraus eine Dynamik zu entwickeln, die den Roman vorantreiben soll.

Allein, so attraktiv das Konzept, so müde ist die Ausführung. Die Witze sind schal, die Dialoge nicht spritzig und die Handlung treibt vor sich hin. Sodass am Ende ein weiterer mäßiger Krimi herauskommt, der wahrscheinlich zu viel bedienen sollte und das eben nicht schafft. Schade.

Titelbild

Monika Geier: Müllers Morde.
Argument Verlag, Hamburg 2011.
400 Seiten, 11,00 EUR.
ISBN-13: 9783867542005

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