Momentaufnahmen aus dem Exil

Der nur noch wenige Briefe umfassende Briefwechsel zwischen Gustav Regler und Klaus Mann ist ein weiteres Dokument des Exils

Von H.-Georg LützenkirchenRSS-Newsfeed neuer Artikel von H.-Georg Lützenkirchen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dieser schmale in kardinalrot leuchtende Band versammelt den erstmals in der Zeitschrift „Sinn und Form“ 2011 veröffentlichten Briefwechsel zwischen Gustav Regler und Klaus Mann. Genauer: neun Briefe Reglers an Klaus Mann aus den Jahren 1933 bis 1935, sowie zwei Briefe an ihn aus dem Jahre 1942. Aus dem Jahre 1936 ist ein Briefentwurf von Klaus Mann an Gustav Regler abgedruckt. Diese in Klaus Manns Nachlass aufgefunden Briefe, darauf machte Ralph Schock in einem begleitenden Beitrag zur Erstveröffentlichung, der im vorliegenden Band als „Nachwort“ gleichfalls zu finden ist, aufmerksam, sind wohl nur wenige der tatsächlich zwischen den beiden ausgetauschten Briefe. Die meisten Briefe, so muss man annehmen, gingen verloren. Diese wenigen Briefe aber sind dennoch „Momentaufnahmen“, wie Schock schreibt, „die Einblick in beider Leben und Schreiben, Denken und Empfinden geben.“

Der erste Brief Reglers datiert von Juli/August 1933. Eingeleitet mit einem noch förmlichen „Sehr geehrter Herr Klaus Mann“, aus dem später ein „Lieber Klaus“ oder „Lieber Klaus Mann“ wird, reagiert Regler auf eine „Aufforderung“ Klaus Manns an ihn, einen weiteren Beitrag für „Die Sammlung“ zu liefern. Die im Amsterdamer Querido Verlag erscheinende Exilzeitschrift war in den ersten Monaten nach der nationalsozialistischen Machtergreifung in Deutschland das von Klaus Mann mit energischem und auch selbstausbeuterischem Engagement vorangetriebene zentrale Projekt: er wollte die Stimmen des anderen, des besseren Deutschland sammeln und ihnen, insbesondere den Schriftstellern im Exil, eine Stimme geben gegen die neuen Herrscher in Deutschland. Die Zeitschrift, die in 24 Ausgaben von September 1933 bis August 1935 erschien, verstand sich in erster Linie literarisch, scheute aber auch tagesaktuelle politische Bezüge und Stellungnahmen nicht, was vor allem Autoren wie Stefan Zweig oder Thomas Mann irritierte, da sie noch hofften, weiterhin in Deutschland publizieren zu können. Klaus Mann sah da klarer und am Ende mussten auch die Zögernden einsehen, dass es keine Rückkehr mehr in das neue Deutschland geben konnte.

Nicht minder klar sah Gustav Regler die Verhältnisse. Der 1898 im saarländischen Merzig geborene Regler, seit 1929 auch Mitglied der KPD, hatte Deutschland unmittelbar nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 verlassen. Mit Willi Münzenberg hatte er am „Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror“ mitgearbeitet. Am 18.10.1933 schrieb er: „man soll mit diesen Leuten [den Nazis, HGL] nicht mehr rechnen und wissen, dass sie umso brutaler werden, je grösser in den nächsten Monaten die Misstimmung gegen sie wird“. Eben deshalb habe er sich, so schrieb er weiter, „so scharf auch gegen Ihren Herrn Vater geäussert“. Und weiter. „Es kann und muss die Lebensentscheidung von jedem deutschen Schaffenden sein, das was in Deutschland geschieht als schlimmsten Verstoß gegen das beste deutsche Geistesgut zu erklären. Gerade die Grossen haben dazu die Verpflichtung, und sie ist unermesslich gross.“

Für „Die Sammlung“ suchte Klaus Mann einen Beitrag Reglers zur Rolle der katholischen Kirche in Deutschland. Beeindruckt zeigte er sich von Reglers Roman „Der verlorene Sohn“ (1933), der das Thema aufgegriffen hatte. „Jenes Glühen“, dieser „fiebrige Impetus“, den Klaus Mann in Reglers Roman gefunden hatte, gefiel ihm nun auch in der ergreifenden Novelle „Der Tod in der Michaelskirche“, die im zweiten Heft der Sammlung erschienen war. Ein von den Nazis verfolgter Mann flüchtet in eine Kirche. Er ist angeschossen und weiß, dass der Tod naht. Ein letztes Mal empört er sich, bäumt sich sterbend auf, verloren hier in der Kirche, wo ihm niemand beistehen wird.

Ein wichtiges Thema der frühen Exiljahre war nicht nur für den geborenen Saarländer Regler, sondern auch für viele andere Exilanten die Saarabstimmung 1935. Das Saarland war seit dem Ende des Ersten Weltkriegs Mandatsgebiet des Völkerbundes. Der Versailler Vertrag sah vor, dass eine Volksabstimmung im Saarland darüber entscheiden sollte, ob das Gebiet unabhängig bleiben, zu Deutschland kommen oder zu Frankreich gehören sollte. Seit dem Machtantritt der Nazis 1933 hatten diese eine gewaltige Propagandaoffensive für die ‚Heimkehr‘ des Saarlandes gestartet. Dagegen formierte sich ein breites Widerstandsbündnis. Die Saarfrage geriet zu einer zentralen Herausforderung für ein antinazistisches Bündnis. „Die Sammlung“ verstand sich auch bei diesem Thema als Stimme des Exils und Regler, davon ist in den Briefen die Rede, schrieb zum Thema. Am Ende vergeblich: die Abstimmung im Januar 1935 brachte eine große Zustimmung für die Wiedereingliederung nach Deutschland.

Mann und Regler blieben auch in den folgenden Jahren des Exils in Kontakt. In Klaus Manns Tagebüchern sind die Begegnungen dokumentiert. Folgt man den Angaben Ralph Schocks im Nachwort zu den vorliegenden Briefen, so waren beide nicht nur durch ihr „gemeinsames politischen Ziel“ verbunden. Er zitiert eine Tagesbucheintragung Manns vom 27.2.1936: „Kurzer Besuch von Regler. Er erscheint mir immer jesuitischer. Ich sehe ihn in der Soutane. Übrigens reizvoll. Nicht ungefährlich.“ Schwingt hier eine homoerotische Faszination mit?

Doch seit den späten 1930er-Jahren kreuzten sich die Wege der beiden seltener. Mann war seit 1938 in den USA, über Umwege gelangte Regler 1940 nach Mexiko. Regler hatte sich inzwischen von der KPD abgewandt. Der schmerzhafte Ablösungsprozess hatte 1939 mit dem „Hitler-Stalin-Pakt“ begonnen. Nun, im Jahre 1942 kam es endgültig zum Bruch mit der KPD. Die jedoch reagierte: Regler sah sich heftigen Angriffen bis hin zu Verleumdungen aus der Partei und von Seiten ihr nahestehender Schriftstellerkollegen ausgesetzt. Von „Verrat“ war die Rede. Eine in einer KP-nahen mexikanischen Zeitung erschienene Karikatur („Baum des Verrats – Wintertriebe“), die er seinem Brief an Klaus Mann aus dem Februar 1942 beilegt, zeigt, wie „aus Trotzkis Totenschädel ein Baum voller Schlangen“ wächst. Eine trägt den Namen Regler – von Hakenkreuzen flankiert. Von dieser Anfeindung berichtet der Brief. Er endet: „Danke, Klaus, ich musste so ausführlich schreiben und fühle mich jetzt besser. Ich bedaure ihre finanzielle Lage, meine ist schlimmer. Hoffen wir das beste. Immer ihr Gustav“.

Beiträge Reglers erschienen noch in der Zeitschrift „Decision – A Review of Free Culture“, die Klaus Mann 1941/1942 herausgab und in anderen von Klaus Mann betreuten und herausgegebenen Sammelbänden. Doch getroffen haben sich beide nicht mehr. Klaus Mann nahm sich am 21. Mai 1949 das Leben. Eben in jenem Jahr kam Gustav Regler erstmals seit 1933 wieder nach Deutschland. Regler starb 1963 in Neu Delhi.

Titelbild

Ralph Schock (Hg.): Gustav Regler. Briefwechsel mit Klaus Mann.
Stroemfeld Verlag, Frankfurt/Main 2013.
120 Seiten, 24,80 EUR.
ISBN-13: 9783866001688

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch